Tysk språklige klipp fra PERSONLISHE UBERLEBEN... (von Emil Mattiesen, Er ist einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Parapsychologieforschung. Sein dreibändiges Hauptwerk „Das persönliche Überleben des Todes“  som er lagret på div pc-er hos rune i feb2025 og google-oversatt delvis til engelsk.) In keinem Falle sind uns m. W. so viele Lichtbildaufnahmen von Phantomen gleichzeitig mit dem Medium, ja gleichzeitig mit Sitzern überliefert wie in dem des Brasilianers Carlos Mirabelli Und da er m. E. das bedeutendste aller Materialisationsmedien überhaupt ist, so will ich schon in dieser Grundlegung unsrer Untersuchung etwas länger bei ihm verweilen, trotzdem ich genötigt sein werde, dabei vorgreifend von 'identifizierbaren' Phantomen zu sprechen. Da ferner der Fall Mirabelli dem deutschen Leser nur durch unzulängliche Auszüge aus dem längsten über ihn vorliegenden Berichte zugänglich ist, was zu manchen Zweifeln und schiefen Auffassungen geführt hat, so muß ich etwas weiter ausholen, um das Gewicht zu rechtfertigen, das ich diesen Tatsachen beilege. Die ersten in Deutschland auftauchenden Nachrichten über Mirabelli erweckten selbst unter positiv eingestellten Fachleuten solche Verblüffung, daß man mehrfach eine 'Mystifizierung' vermutete, also die Zeugnisse für erfundene Fälschungen hielt. Zum Teil ist diese Auffassung allerdings ein Beweis dafür, wie wenig verbreitet bei uns eine genaue Kenntnis der besten Materialisationserscheinungen ist; denn Mirabellie Phänomene finden in sehr vielem ihre Seitenstücke in europäischen Beobachtungen, ja weichen von diesen hauptsächlich nach der Seite größerer Vertrauenswürdigkeit ab. Aber ganz abgesehen davon läßt sich jene ratlose Ablehnung bloß so lange auch nur versuchen, als man die vorliegenden Urkunden nicht wirklich kennt. Diese bestehen in einer Druckschrift von 73 Seiten, herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft, die gebildet wurde ausschließlich zum Zweck, die Wahrheit über die aufsehenerregenden, in der brasilianischen Presse und Öffentlichkeit ebenso leidenschaftlich angegriffenen wie verteidigten Phänomene Mirabellis festzustellen. Diese Academia de estudos sychicos Cesar Lombroso, wie sie sich nannte, -wurde gegründet am 22. Sept. 1919 in S. Paulo auf Anregung des Hrn. José de Freitas Tinoco, Großindustriellen in Rio de Janeiro und S. Paulo, der auch zu ihrem Ehrenpräsidenten gewählt wurde. Die eigentliche Präsidentschaft Obernahm Dr. Carlos Pereira de Castro, ein 'namhafter Kliniker'; als Schriftführer wirkte Major Osorio M. de Barros, ein 'Pharmazeut'; während als besonders tätige Untersucher genannt werden die Herren Dr. Luiz de M. Pinto de Queiroz, Prof. an der Schule der Pharmazie in S. Paulo; Professor de Ole" gario de Moura, ehem. Lehrer an der Escola de Medicina daselbst; Gymnasialprofessor und Zivilingenieur Carlos Frederico Spiccaci; Prof. Dr. Moreira Machado von der Handelsschule; ferner zwei Offiziere, zwei 'chirurgische Zahnärzte', ein 'Arzt', Dr. Eusebio Macedo, ein Advokat, zwei vereidigte Ubersetzer (ein Deutscher und ein Slawe) u. a. m. Die Präsidentschaft überahm später, als der oben Genannte ins Innere hatte verziehen müssen, der Mathematikprofessor J. F. Schmidt; das vollständige Mitgliederverzeichnis führt zahlreiche weitere Rechtsanwälte, Ingenieure und Chemiker auf, und unter den jeweiligen 'Gästen' finden wir, neben einigen 'berühmten Ausländern', nicht weniger al9 72 Arzte, 18 Pharmazeuten und 12 Ingenieure namentlich aufgezählt. Um aus dieser Menge wenigstens einige Zeugen von vermutlich echtem Gewicht herauszuheben, nenne ich hier Dr. Enrico de Goes, einen 'bekannten Gelehrten', Mitglied der Akademie der Wissenschaften von Rio de Janeiro; Dr. Vital Brasil, Leiter eines bedeutenden Heilinstituts und Erfinder einer besonderen Serumbehandlung; Dr. Beraldo Martins, einen 'sehr bekannten Kliniker'; Dr. Everardo de Souza, Zuchthausdirektor, der eine wissenschaftliche Herausforderung zugunsten Mirabellis erließ; Dr. Anthero Bloem, dessen anfangs durchaus feindliche Einstellung durch seine Beobachtungen überwunden wurde; Hrn. C. G. Ramos, einen in Brasilien sehr bekannten Taschenspieler; Oberst Albert E. Baecker, der die gewonnene 'Gewißheit' in unüberbietbar starken Ausdrücken bezeugt; Dr. Charles Niemeyer, der nach Beobachtungen in seinem eignen Hause das gleiche tat und erst nachträglich wankend wurde, als Ihm von einem Taschenspieler ein 'Zerrbild' der Mirabellischen Leistungen vorgeführt wurde. ußnote- Eine 'voll- ständige technische Ausrüstung' - darunter photographische Apparate, Be- leuchtungskörper wechselnder Lichtstärken und Farben, Lautverstärker, Prä- zisionswaage, 'Fesseln' verschiedener Art u. a. m. - war der Arbeitsgemein- schaft von ihrem Ehrenpräsidenten geschenkt worden. Ich habe diese weitschweifige Aufzählung nicht gescheut, damit der Leser einigermaßen die Umgebung kennen lerne, der die mitzu- teilenden Berichte entstammen. Der Eindruck, daß er sich in ernstzu- nehmender wissenschaftlicher Gesellschaft befindet, wird aber noch verstärkt durch grundsätzliche Äußerungen des Verfassers unsrer Schrift über die Gesinnung, in der die Akademie an ihre Aufgabe her- antrat. Immer wieder wird die 'kühle und leidenschaftslose', 'unpar- teiisch unbefangene' Haltung betont, mit der man persönliche Vorur- teile, Überzeugungen und Glaubensneigungen beiseitezuschieben suchte, in 'Verehrung der Gesetze und Axiome der anerkannten Wis- senschaft', um nur der Feststellung der reinen Tatsachen zu dienen. Tatsächlich wird auch in dem vorliegenden Bericht jede theoretische 1) S. die 30 wörtlich abgedruckten Zeugnisse: MlrabelU 19S. Vollphantome der Experimen talsitzu ng 125 Schlußfolgerung, vor allem jede 'spiritistische', ängstlich vermieden, und die schließliche Anerkennung der Tatsachen als solcher, von de- ren Unerhörtheit die Prüfenden tief durchdrungen sind, geschieht aus- schließlich - und zwar 'vorbehaltlich besserer Meinungsbildung'! -, weil 'die zahlreichen ergriffenen Vorsichtsmaßregeln, die strenge Prü- fung aller Phänomene, die unerbittlich durchgeführte Überwachung' die Forscher von der Wirklichkeit des Beobachteten überzeugt habe.1 Besonders bei den objektiven Phänomenen (sagt der Bericht2) 'haben wir "ine Strenge angewandt, welche die Eigenliebe des Mediums und seiner spi- ritistischen Bewunderer empfindlich treffen mußte, jedoch geeignet war, un- serer Absicht einer Prüfung der Wirklichkeit der Tatsachen zu genügen . . . ' 'Wir stellten eine Richtschnur für die Kontrolle auf, deren Strenge bezeugen wird, wie stark unser Wunsch war, die Wahrheit zu e n t w i r r e n . . D i e s e Vorschriften werden in 8 Sätzen zusammengefaßt, von denen ich nur folgende anführe: 4) Kein Vorgang soll als bewiesen angesehn werden, gegen den auch nur einer der Anwesenden einen begründeten Einwand erhebt... 5 a) Das Medium soll stets von zwei Anwesenden sicher kontrolliert wer- den, außer wenn es angebunden, gefesselt oder von Sinnen ist. 5 b) Es soll vorzugsweise bei Tages- oder künstlichem Licht untersucht werden, welches genügt, um Tauschungen zu verhüten, deren Annahme Zweifel oder nachfolgende Einwände begünstigen könnte. 6) Dem gleichen Zwecke dient eine vorherige sorgfältige Untersuchung •des Sitzungsraumes, der Person des Mediums, der Gegenstände im Zimmer, des Fußbodens, der Wände und alles dessen, was sonst zu [betrügerischen] Vorbereitungen dienen könnte. 7) Nach Abschluß der Arbeiten [jeder Sitzung] wird ein ins Einzelne ge- bendes Protokoll über das Vorgefallene aufgesetzt, erörtert und von den An- wesenden unterzeichnet werden, nebst einer Erklärung wohlüberlegter Ein- wände. Schon hieraus ist teilweise ersichtlich, daß die Bedingungen, unter denen Mirabelli untersucht wurde, sehr günstig abstechen von denen bei andern Medien. Wie uns immer wieder allgemein versichert wird und auch aus den Einzelbeschreibungen hervorgeht, wurde bei weitem 'der größte Teil der berichteten Phänomene geprüft bei hellem T a - ge slicht,' in später gelegten Sitzungen aber bei starkem künstlichem Licht.8 Mirabelli wurde vor der Sitzung 'entkleidet und untersucht', begab sich dann aber nicht in ein Kabinett, sondern blieb, zuweilen über eine Stunde lang in den unbequemsten Stellungen, völlig gefesselt inmitten der ihn umringenden Untersucher im Tageslichte 1) das. 6.25t. 2) das. 51. 3) a lux de lampadas potentes. 126 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung sichtbar sitzen. Es fand keine liettenbildung' statt, vielmehr bewahrten, wie wir noch sehen werden, die Beobachter völlige Bewegungsfreiheit. Ausdrücklich wird uns versichert, daß Mirabelli sich widerstandslos und geduldig jedem Wunsch der Forscher nach irgendwelcher Ver- schärfung der Kontrolle unterworfen habe: Entkleidung, Anbinden. In-einen-Sack-stecken, Fesseln. Keinerlei Vorbereitungen irgend- welcher Art konnten ihm jemals nachgewiesen werden, wie denn seine Phänomene ihn oft genug in Privathäusern, auf der Straße, in der Bahn überrascht haben sollen; ja 'nie hat irgendjemand einen auf Tatsachen gegründeten Beweis oder eine unmittelbare Anschuldigung vorgebracht, gestützt auf die Verantwortung eines Namens, daß Mirabelli sich ir- gendwelcher Kunstgriffe bedient habe. Sonst hätten wir nie die Unter- suchung unternommen.'fußnoteMan kann es unbedenklich aussprechen, daß in der gesamten Geschichte objektiver Medienleistungen niemals unter so günstigen Bedingungen experimentiert worden ist wie im Falle Mi- rabellis. Eben darum muß man staunen über die Leichtigkeit, mit der Frau Dr. Moser über Untersuchungen hinweggleitet, die unter genau den Umständen stattfanden, die sie in ihrer gesamten Kritik solcher Forschungen immer wieder gefordert hat: hellstes Licht und volle Sicht- barkeit des Mediums.2 Neben allem diesem muß nun freilich ein bedauerlicher Umstand er- wähnt werden. Man könnte ihn als einen urkundlichen Formfehler der genannten Schrift bezeichnen. Wie wir hörten, hatte die Akademie Ce- sar Lombroso den Grundsatz aufgestellt, nach jeder Sitzung ein von den Anwesenden unterzeichnetes Protokoll aufzusetzen, und es hätte nahe- gelegen, selbst in einer kurzen und zusammenfassenden Schrift, wie der vorliegenden, diese Protokolle oder doch einige von ihnen vollinhalt- lich abzudrucken, etwa zugleich mit den 'wohlüberlegten Einwänden', die von einer oder der andern Seite erhoben worden wären. Dies ist leider nicht geschehn; oder richtiger: es ist aus der Schrift nicht er- sichtlich, wieweit dies etwa geschehen ist Wir erhalten sehr einge- hende Schilderungen jeder der überhaupt herangezogenen Sitzungen (eines kleinen Bruchteils der erfolgreich abgehaltenen); Schilderungen, denen man es ohne weiteres anmerkt, daß sie von einem gebildeten Augenzeugen verfaßt sind. Aber wie die ganze Schrift - ohne Verfas- sernamen - sozusagen im Neunen der gesamten 'Akademie' spricht, 1) aaO. 17. 25. 30f. 34. 2) Moser 749. -Als femer vertrauenerweckend ließe sich aus M.s Vorgeschichte erwähnen, daß er nach abgeschlossenem Schulbesuch sich in ein CoHegio (Säo Luiz) zurückzog, um einen religiösen curso durchzumachen, und daß er, als pflichttreuer kaufmännischer Angestellter, mehr als eine Stellung verlor infolge der unge- wollten 'Verfolgung' durch seine Phänomene. Die 18tägige Beobachtimg in einer Irren- anstalt (I) ergab nichts, außer einer Bezeugung der Echtheit der Phänomene durch den Anstaltsleiter, den oben erwähnten Dr. E. de Souza. so sind auch diese Sitzungsberichte von niemandem persönlich unter- zeichnet, und wir können, wie gesagt, nur Vermutungen darüber auf- stellen, wie weit sie die aufgesetzten Protokolle wörtlich wiedergeben, wie weit sie nur inhaltlich auf ihnen beruhen, wie weit sie etwa Erinne- rungen eines einzelnen Zeugen aussprechen. Dies ist bedauerlich und widerspricht den Gepflogenheiten europäischer Forschung gerade auf diesem umstrittenen Gebiet; auch vermag ich nicht zu sagen, wie weit der Herausgeber sich damit bewußt von wissenschaftlichen Forderungen seines eigenen Kreises entfernt, oder wie weit er soz. mit der Harm- losigkeit des guten Gewissens handelt. Wie dem aber auch sei: es wäre völlig ungerechtfertigt, auf Grund solchen Verhaltens die Berichte für wertlos zu erklären oder gar ihre Gutgläubigkeit anzuzweifeln. Jeder, der die Schrift von Anfang bis zu Ende wirklich durcharbeitet und nicht nur in ihr blättert (wozu die unbequeme Fremdsprache ja ver- führen könnte), wird unter dem zwingenden Eindruck stehn, daß hier mit heiligem Ernst und äußerster Gewissenhaftigkeit Dinge berichtet werden, die auch der Schreiber mit Einsatz aller seiner Fähigkeiten wirklich beobachtet hat. Was aber mehr ist: die Beobachtungen sind von solcher Grobschlächtigkeit und finden unter solchen Bedingungen statt, daß man die Glaubwürdigkeit der Berichte in allem Entschei- denden nur verneinen kann, indem man sie für erdachten Schwindel erklärt Aber gerade dies wird jeder wirkliche Leser der Schrift sehr bald als undenkbar begreifen. Ich kann dies hier nur be- haupten; den Zweifler aber muß ich auffordern, meine Behauptung an der Schrift selbst nachzuprüfen. Nach diesen notgedrungen langen Vorbemerkungen gebe ich nunmehr einige der Berichte (in genauer Übersetzung alles Wesentlichen) wieder. Der erste bezieht sich auf eine Sitzung, die (an einem nicht da- tierten Tage) in Santos abgehalten wurde, im Beisein 'zahlreicher ange- sehener Personen'(fußnote) unter dem Vorsitz des Dr. Estanis lau de Camargo, beginnend um 9 Uhr morgens, also bei hellem Tageslicht, nachdem der Sitzungsraum (mit vergitterten Fenstern) gründlich durchsucht und verschlossen worden war. 'Es wurde festgestellt, daß man ins Zimmer nur eindringen konnte, wenn man die dicken Mauern oder die in den Stein eingelassenen Türen einrannte.' Nach der Materialisation eines Kind-Phantoms, auf die ich in andrem Zu- sammenhang zu sprechen komme, sowie einer erstaunlichen telekinetischcn Leistung (die uns als solche hier nicht angeht) ereignete sich nun folgendes. Noch während die Erörterung des vorausgegangenen Phänomens im Gange 1) Namentlich autgezählt werden 16 'Doktoren', 5 'Professoren', neben Offizieren und In- genieuren, u. a. die oben genannten Dr. J . F. Schmidt u. Dr. Alberto Rlbeiro. 128 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung ist, 'ffihlt das Medium sich von neuem elend und behauptet, im Räume den Körper des bekannten Bischofs D. José de Camargo Barros zu sehen, der beim Schiffbruch des Dampfers 'Syrio' umgekommen ist. Alle verfallen in Schweigen, während zugleich die vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen er- griffen werden. Während alles noch voll Erwartung ist, macht sich ein sehr süßer Rosenduft im ganzen Saal bemerkbar. Das Medium erblaßt und sinkt in den Lehnstuhl, alsbald kontrolliert von den Herren Ataliba de O. Aranha u n d Odassio Sampaio. Die Anzeichen eines unnormalen physiologischen Zustands des Mediums wachsen an, bis sie einen beängstigenden Grad e r r e i c h e n . . . Auf einem Lehn- stuhl bemerkt man ein feines Nebelwölkchen, welches Wogen von Rauch aushaucht und auf das sich von jetzt ab alle Blicke richten. Das Medium wird ununterbrochen an beiden Armen sicher gehalten. Der Nebel . . . zieht sich zusammen, und plötzlich verwandelt er sich in einen dichten und schim- mernden Rauch von fahlgoldener Färbung, leuchtend wie eine goldige Au- reole. Dieser Rauch löst sich langsam auf, in gezählten Minuten, und aus ihm taucht hervor die sitzende Gestalt eines lächelnden Prälaten mit dem bi- schöflichen Barett und den übrigen Zeichen seiner Würde. Er behauptet mit lauter und Allen verständlicher Stimme, der erwähnte bekannte Geistliche zu sein, und erhebt sich vom Stuhl. Keine Spur mehr ist von dem Nebel oder d e m Leuchten verblieben, und wenn nicht das allgemeine Zeugnis einstim- mig gewesen wäre, hätte jeder glauben können, das Opfer einer Illusion ge- worden zu sein Nichts deutet auf die Anwesenheit eines Wesens von un- bestimmbarem Ursprung; ein in diesem Augenblick unvorbereitet Eintre- tender hätte nichts Abnormes wahrgenommen. Dr. G. de Souza erhebt sich. - macht einige Schritte, bleibt stehen und blickt den geheimnisvollen Gast von vorne an. Dieser, noch immer lächelnd, sagt nichts und richtet gleichfalls seinen Blick auf den Beobachter, der, nach einigem Zögern, sich ihm nähert, ihn berührt, ihn in aller Ruhe betastet, seinen Atem abhört, ihm die Zähne beklopft, ihn den Mund öffnen läßt, um das Vorhandensein von Speichel festzustellen, mit dem Finger seinen Gaumen befühlt, sein Herz und den Rhythmus seines Atems behorcht, niederkniet, die Ohren dem Bauche des vorgeblichen Prälaten anlegt, in Ruhe die Geräusche in den Eingeweiden ab- horcht, ihm die Nägel und den Augapfel prüft, insonderheit die Blutäderchen darin feststellt, schließlich einen Schritt zurück tut und ihn von neuem an- blickt, wie einer, der sich mit Mühe einer schwerglaublichen Wahrheit unter- wirft, und dann, mit nachdenklich gesenktem Kopf, auf seinen Platz zurück- kehrt. Es war wirklich ein Mensch, der dort stand. Andre folgen dem Beispiel des Dr. de Souza, ihnen allen überläßt sich der geheimnisvolle Gast gehorsam, und alle kehren zurück mit der Gewißheit, d a ß sie nicht das Opfer eines Spiels der Einbildung sind, sondern es mit einem anatomisch vollkommen menschlichen Wesen zu tun haben. Nachdem sich alle davon überzeugt haben, drückt sich ein Gefühl unendlicher Bestür- zung auf allen Gesichtern aus. Darauf spricht der geheimnisvolle Gast in tadellosem Portugiesisch und in schönem Stil über verschiedene Angelegen- Vollphantome der Experimentalsitzung 129 heiten. Am Schluß seiner Ansprache fügte er hinzu: 'Geben Sie gut acht auf meinen Abgang,' und dann bewegte er sich nach der Seite des Lehnstuhls, •worin das Medium saß, noch immer gesichert und im Trans, [wobei alle An- wesenden aufstanden und mit gespannter Aufmerksamkeit den Vorgängen folgten]. Beim immer noch bewußtlosen Mirabelli angelangt, beugte er sich über ihn, legte ihm die Hände auf und verharrte einige Zeit in schweigender Betrachtung desselben. Die Anwesenden umringten die beiden von allen Seiten. Plötzlich wurde der Körper des [Phantoms] von einigen heftigen Zuckungen erschüttert und begann zu schrumpfen, sich zusammenzuziehen, kleiner zu werden. Das Medium, durchweg gesichert, stieß einen kalten Schweiß aus und begann geräuschvoll zu röcheln. Die Erscheinung . . . ver- kleinerte sich, bis sie eine Höhe von etwa 30 cm hatte, und verschwand dann plötzlich mit einer Schnelligkeit, von der kein Wort einen Begriff geben könnte. Von neuem macht sich der süße und starke Rosenduft bemerklich, und das Medium erwacht, noch lange in einem Zustand halber Bewußtlosig- keit und Unempfindlichkeit verharrend. - Der ganze Saal wird von neuem mit größter Sorgfalt untersucht, aber nichts gefunden, was das mindeste Licht auf den Vorgang werfen könnte.'1 Die demnächst wiederzugebende Beobachtung erfolgte gleichfalls in Santos in den Räumen der Akademie, um 15.30 Uhr (Monat und Tag werden nicht angegeben), in Gegenwart von mehr als 60 Personen, die sich ins Gästebuch eintragen mußten, während die Akademie durch den Präsidenten, durch den 'namhaften Gelehrten' Dr. Estanislau Grumbitsch, den Ingenieur Dr. Gustavo de Oliveira Gusmöes, Dr. O. M. Cavalcanti u. a. vertreten war. Kontrolle des Mediums durch zwei namhaft gemachte Herren; Untersu- chung des ganzen Saales, des Fußbodens und der Wände durch Abklopfen (auf 'Falltüren' und Spalten hin); alle im Saal vorhandenen Bilder wurden einzeln entfernt und der von ihnen bedeckte Teil der Wand untersucht; des- gleichen die Eisengitter und Fenster; auch durchschritt die Kommission alle Nebenräume des Anwesens, alles aufs sorgfältigste untersuchend, und auf An- raten des Dr. Coriolano Ribas y Assunpcion, eines berühmten Gastes, wurden die Glastüren einiger kleiner Schränke mit Bindfäden verschnürt, desgleichen alle Türen, die aus dem Hausflur in den kleinen ummauerten Garten führten, worauf man die Schnüre von dem genannten Besucher sorgfältig mit einem Petschaft versiegeln ließ. 'Darauf wurde das Medium in ein abgesondertes Zimmer geführt, vollständig entkleidet, alle Stücke seiner Kleidung und Wäsche wurden untersucht, worauf es, ständig überwacht, in den Saal zu- rückkehrte, in einem Lehnstuhl Platz nahm, seine Füße und Hände gefesselt wurden, und Alle in Erwartung verharrten. Das T a g e s l i c h t e r h e l l t e v o l l - kommen den ganzen Saal. Das Medium schluchzt wiederholt laut auf. windet sich und verharrt schließlich auf dem Lehnstuhl: starr, die Fäuste ge- ballt, in halb kataleptischem Zustand. Kurz darauf ziehen sich seine Muskeln äußerst heftig zusammen und sein Körper wird gänzlich regungslos. Der Puls verringert sich außerordentlich bis auf 42, und die Körpertemperatur geht auf 36.08° herab. Allgemeiner kalter Schweißausbruch, kühle Haut, mühsame, sehr langsame Atmung. Der Dr. Estanislau Grumbitsch verbleibt angesichts dieses Zustands dicht beim Medium, um die Entwicklung der Körperfunk- tionen zu überwachen, und äußert sich dahin, daß bei weiterer Verminde- rung von Puls und Temperatur es geraten wäre, die Beobachtungen zu unterbrechen. Im selben Augenblick richtet sich die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf ein rauchartiges Gebilde,(fußnote) einem sehr verdichteten Irrlicht ähnelnd, welches wie durch Zauberei nahe einer der Wände auftaucht. Dieses Gebilde, ohne zunächst deutlicher zu werden, zuweilen wie d$r Ab- glanz des Sonnenlichtes in einem Spiegel erscheinend, bewegt sich nach allen Richtungen im Saal umher, b e t r i t t den von den B e o b a c h t e r n ge- b i l d e t e n K r e i s und nimmt plötzlich, mit geradezu unbeschreiblicher Schnelligkeit, menschliche Gestalt an. Da steht nun, unter mehr als 100 Augen, die vor hemmungsloser Neugier brennen, ein junges Weib von zarten Formen, gekleidet in ein Gewand von sehr leichtem, fast durchsichtigem Schleierstoff, und sagt, an die Anwesenden sich wendend: 'Ich bin Walkyria, Walkyria Ferreira, kennt ihr mich nicht?' Mehrere unter den Anwesenden erklären, daß die körperliche Bildung des jungen Weibes genau, Zug für Zug, derjenigen der an der Schwindsucht verstorbenen Frau Professor Wal- kyria Ferreira gleiche. Sofort setzt Dr. Grumbitsch einen verwickelten und modernen, kürzlich aus Hamburg eingetroffenen Lautverstärker in Gang. Die seltsame Besucherin hustet anhaltend, unter unheimlichem Schweigen [der Anwesenden], und die sofort einsetzenden starken Erschütterungen des Laut- verstärkers zeigen die Schwingungen an, die von ihrer Stimme in der Luft erzeugt [und von Dr. Grumbitsch gemessen] werden... Hr. J. Freitas Tinoco bereitet eine photographische Platte vor und übergibt sie den Herren Ribas y Assunpcion und J. Amarante, die den dafür vorgesehenen Apparat auf die geheimnisvolle Besucherin einstellen, die bald springt, bald umherschreitet, und es gelingt ihnen eine ausgezeichnete Aufnahme von vorne, die sofort dem Hrn. Freitas Tinoco eingehändigt wird. Die Entwicklung fällt gut aus und erweist die wirkliche Aufnahme eines körperlichen Wesens. Die Anwesenden sind sehr erregt [einige bis zu Tränen] . . . Das Medium, in dem oben be- schriebenen starren und verkrampften Zustand verharrend, schluchzt laut und anhaltend. [Das Phantom,] bald lachend, bald hustend, spricht zu den Anwesenden, beginnt dann in geneigter Haltung sich in der Luft umher- zubewegen, während fünf gezählter Minuten, ohne Berührung mit dem Fuß- boden oder irgendeinem Gegenstande; es wird neuerdings undichter, äthe- risch, und so oft es an der Stelle angelangt ist, an der es zu allererst als un- bestimmter Glanz erschien, wird es jedesmal weniger körperlich, mehr äthe- risch, bis es völlig unsichtbar bleibt. Die Doktoren Grumbitsch und Ribas y Assunpcion stürzen in dieser Richtung vor, stoßen aber auf die gediegene und feste Mauer, die ihrem Zuschlagen und Abtasten nichts offenbart. Der Tonverstärker beginnt regelmäßig Laute, wie von Entladungen elektrischer Ströme, zu registrieren, Ober deren Herkunft wir nichts ausmachen können. - Das Medium erwacht schließlich und verharrt, mit emporgerichteten Augen, lange in stummer E n t r ü c k u n g . . . Es antwortet auf wiederholten An- ruf nicht, es scheint nichts zu h ö r e n . . . Die einfache Beschreibung des Vor- gefallenen (schließt der Bericht) flberhebt uns irgendwelcher Erläute- rungen.'1 Dritte Beobachtung: Im unmittelbaren Anschluß an einen hier noch nicht wiedergegebenen Vorgang fiel das Medium von neuem in Trans; eine inmit- ten des Zirkels auf einem Tische stehende Glocke wurde durch die Luft ge- führt und geläutet, und Mirabelli - erwacht - behauptete, einen alten, weiß- bärtigen Mann in weißein Iiausrock, von einer himmelblauen Aureole um- spielt, zu sehen. 'Plötzlich läßt sich . . . ein starkes Geräusch hören, wie das Aufschlagen eines Absatzes auf den Fußboden, . . . und alle [erblicken], dicht beim Tische, die Gestalt eines alten Mannes, mit allen vorher vom Medium beschriebenen Kennzeichen, der die Glocke in der Hand hält, die noch fortfährt, von Zeit zu Zeit zu läuten.2 Im selben Augenblick erklären die Herren Col. Joaquim Soares und Dr. Octavio Moreira Cavalcanti, der Anwesende sei der Dr. Bezerra de Menezes, ein sehr bekannter Kliniker beklagten Andenkens. Dieser wendet sich mit den verbindlichsten Formen eines vollkommenen Kavaliers an die Anwesenden, spricht ihnen von sich selber und bestätigt, daß er es sei. Sprache und Manieren, gleich gehoben, machen auf alle Eindruck. Der Lautverstärker bezeugt die [Objektivität der] Stimme. Mehrere Aufnahmen werden gemacht, und die Doktoren Assunpcion und Archimedes Mendon^a . . . begeben sich zu dem [Phantom] und nehmen während 15 Minuten eine vollständige Untersuchung vor, nach deren Ab- schluß sie mit lauter Stimme und unter ihrer Verantwortung den Anwesen- den erklären, daß es sich wirklich um eine normale und menschlich organi- sierte Person handle, deren anatomischer Bau und organische Funktionen [in jeder Hinsicht] vollkommen seien. Das [Phantom] selbst drückte, in der offenbaren Absicht, seine wirkliche Anwesenheit noch besser zu bekräf- tigen, allen [?] Anwesenden die Hand, trotz der Abneigung, welche die meisten dagegen bekundeten. Es war barfüßig. Es sprach von neuem, seinen Abschied ankündigend, und hing alsbald senkrecht schwebend in der Luft, das Gesicht dem Fußboden zugekehrt, . . . worauf seine unteren Gliedmaßen zu verschwinden begannen, die Beine und der Bauch. Als nur noch die in der Luft schwebenden Arme und Brust verblieben, ruft der Dr. Archimedes Meiidon^a aus: 'Aber das ist zu stark 1' und stürzt vorwärts, ergreift jenen halben menschlichen Körper, stößt einen lauten Schrei aus und stürzt be- wußtlos zu Boden, wobei jene Körperhälfte, die noch in der Luft umher- schwebte, augenblicklich verschwindet. [Zu sich gebracht] berichtet Dr. M., er entsinne sich, zwischen den Fingern eine schlaffe und schwammige Masse gehalten und einen furchtbaren Schlag empfangen zu haben - und danach nichts weiter.' Das sehr erschöpfte Medium wird entfesselt, die Kommission 1) aaO. 60 IT. 2) Vgl. o. S. 58 t. 94. f 132 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung untersucht die versiegelten Türen und findet die Siegel unverletzt. Die ein- stimmige Ansicht der Anwesenden erklärt die Tatsachen für 'einfach uner- klärlich'.1 Als einstweilen letzte Beobachtung aus der Mirabelli-Schrift sei fol- gende mitgeteilt Während einer Sitzung der Akademie, vertreten durch Dr. Carlos de Castro, Dr. Alfredo Navarro, Prof. Dr. med. Olegario de Moura, und in Gegenwart anderer durchweg gebildeter Personen; nach genauer Unter- suchung des Raumes und Beobachtung verschiedener Phänomene, während das Medium in Transzustand im Sessel wieder i n n e r h a l b des K r e i s e s der B e o b a c h t e r s a ß , - 'erhob sich unter großem Geräusch, als fiele sie von der Wandbekleidung, deren Höhe mehr als 3 m beträgt,... stehend auf einem Tisch inmitten des Kreises der Beobachter, eine menschliche Gestalt von ara- bischem oder marokkanischem Aussehn, mit erhobenem Arm, und richtete an uns das Wort in arabischer Sprache... [Unter allgemeinem erschrecktem Staunen] steigt der Neuankömmling, mit blitzenden Augen und stolzen Ge- bärden, vom Tisch herab, setzt sich unter die Beobachter und verharrt so, in selbstbewußter und gleichmütiger Haltung. - Dr. Olegario de Moura erhebt sich, nähert sich dem seltsamen Gast und berührt ihm die Stirn. Dieser läßt es geschehen, ohne seine stolze Haltung aufzugeben. Dadurch ermutigt, be- ginnt dieser Forscher, mit dem meisterlichen Geschick seines Berufes, ihn einer regelrechten klinischen Untersuchung zu unterziehen, die eine halbe Stunde dauert, unter der gespannten Aufmerksamkeit der Anwesenden. Am Schluß erklärt er diesen, daß er einen normal gebauten und völlig lebendigen Menschen vor sich habe. Noch vor dieser Aussage haben sich die Herren Dr. Carlos de Castro und Major Osorio de Barros erhoben und die Fenster und Türen untersucht, deren Schlüssel letzterer bei sich hat und die alle ver- schlossen gefunden werden. Während dieser Untersuchung wird der photo- graphische Apparat in Bereitschaft gesetzt, und [wenige] Minuten darauf wird eine glänzende Aufnahme erzielt. Alle Anwesenden nähern sich einzeln der Gestalt, und diese, in stolzer Zurückhaltung und erhobenen Hauptes, spricht arabisch. Trotz der häufigen Wiederholung derartiger Beobachtungen ist die Span- nung und Erregung, die sie bewirken, stets die gleiche, besonders wenn sich der Abschluß der Erfahrung nähert, weil dann, ein Betrug vorausgesetzt, die geheimnisvollen Besucher sich schwerlich aus dem geschlossenen Kreise [der Beobachter] zurückziehen könnten, ohne daß die Täuschung entdeckt würde. [Sehr richtig, denn jetzt entfällt der Einfluß der Überraschung!] Der geheimnisvolle Araber, von dem man nur verstehen konnte, daß er sich Harun al Raschid nannte,2 besteigt denselben Tisch, auf dem er erschien, und spricht von dort aus, mit ausgebreiteten Armen, von neuem in seiner Mundart. Das Medium, das auf Augenblicke in einen halbbewußten Zustand 1) S. 62f. 2) Wohl eine der so häufigen phantastischen Selbstbenennungen jenseitiger Persönlichkeiten. Vollphantome der Experimentalsitzung 133 gekommen war, als das Phantom sich an seine Seite setzte, fällt von neuem unter Schluchzlauten in Transj die Beobachter bilden einen Kreis um den Tisch und blicken mit brennenden Augen auf die darauf stehende Person, und es ist geradezu, als hielten alle den Herzschlag an, so tief ist das Schwei- gen. . . Der geheimnisvolle Araber erhebt sich plötzlich in die Luft, zögert etwa 10-12 Sekunden, und plötzlich, wie ein Blitz, ist nichts mehr zu sehn. Alle blicken noch ins Leere, als erwarteten sie noch etwas Außerordentliches, aber nichts dergleichen geschieht. [Alle Anwesenden bestätigen die Wirk- lichkeit des Beobachteten, auch die Untersuchung des Raumes, können aber keine Erklärung ersinnen: nur die Tatsache bleibt bestehen.] Das Medium kommt mit Schwierigkeit zu sich und verharrt stundenlang in einem Zustand nervöser Ubererregung, so daß man für seine geistige Gesundheit fürchtet.'1 Die Schrift betont schließlich, daß alles Beschriebene nur einen klei- nen Teil dessen darstelle, was die Akademie im Verlauf ihrer Arbeiten beobachtet habe; daß die wenigen Seiten des Buches die Bemühungen von Jahren zusammenfaßten, und daß weitere Beschreibungen nur Wiederholungen bringen könnten, welche eintönig wirken müßten. Die Beobachter verwahren sich in einem Schlußwort ausdrücklich gegen die Vermutung der Möglichkeit 'optisch-sensitiv-akustischer Illusionen', 'kollektiver Halluzinationen' oder 'allgemeiner Hypnotisierung'; dazu seien sie alle zu gesund, zu wenig veranlagt, zu mißtrauisch gewesen: 'wir glauben, daß die wenigen, die jemals einer solchen Auffassung zuneigten, angesichts dieser Untersuchungen jetzt anders urteilen werden.' Allen Vorurteilen und allem Spott zum Trotz hätten die Tat- sachen sich den Beobachtern unwiderstehlich aufgedrängt und die Re- lativität unsres Wissens bewiesen. 'Mögen andre untersuchen und Ver- suche anstellen, und dann erklären, ob wir irren oder übertreiben.' 'Die Phänomene sind Wirklichkeit.'2 - Für mein Teil aber muß ich bekennen, daß ich keine Möglichkeit sehe, dieser im Tone tiefster Überzeugung vorgebrachten abschließenden Erklärung die Zustimmung zu versagen. Zahlreiche gebildete Männer haben hier unter muster- gültig vollkommenen Bedingungen Vorgänge beobachtet, die in ihrer Massivität und Greifbarkeit nicht zu überbieten sind und im Grunde völlig mit denen übereinstimmen, die auch in £uropa von maßgeblichen Forschern beschrieben worden sind. Die sich häufenden Zeugnisse dieser Art besitzen für mein Urteil ein Gewicht, das den angesichts der Neuartigkeit der Phänomene natürlichen Zweifel zu Boden drückt. Die Berufung auf wissenschaftliche Denkgewöhnungen hat schließlich ihre Grenzen. Es ist leicht, zu erklären, wie Dessoir es bezüglich einer bloßen materialisierten Hand tat: daß solche Gebilde für Augenblicke aus dem Nichts entstehen sollen, bedeute eine solche Zumutung an den Verstand, 'daß ich für mein Teil mich ihr nicht mehr gewachsen fühle'; an den hergebrachten physiologischen Gesetzlichkeiten irre werden, 'heißt selber irre werden.'(fußnote) Eine solche Denkart verkennt die ewige Relativität und Zeitgebundenheit menschlichen Wissens und beweist im Grunde einen Mangel an wissenschaftlicher Phantasie. Sehr vieles, was heute der Verstand jedes Naturforschers glatt verdaut, hätte in früherer Zeit, wäre es damals behauptet worden, genau die gleiche und gleich begründete Ablehnung erfahren; und oft hat völlige Unbegreif- lichkeit' sich in ihr wahres Gegenteil verwandelt, nachdem einmal der Zusammenhang des Unfaßlichen mit andern wohlbekannten Tatsachen entdeckt oder aber ein völlig neuartiges Naturgesetz aufgestellt worden war. Wissen wir doch nicht einmal, ob Materialisationen wirklich als 'Entstehung aus dem Nichts' zu deuten sind; ob wir also nicht mit sol- chem Ausdruck ein Rätsel aufstellen, das tatsächlich gar nicht so be- steht. Wir werden diesen Gedanken später noch zu prüfen haben. Ein Wort schließlich über die Wiedergaben von Lichtbildern, die das Heft über Mirabelli enthält und die ich leider aus äußeren Gründen dem Leser hier nicht zugänglich machen kann. Eins von diesen (Nr. 3) zeigt den Vorgang der körperlichen Untersuchung des halbentkleideten Mediums durch sieben Herren; es sind, der Unterschrift nach, die 'nam- haften Ärzte' Dr. Ch. Niemeyer und Dr.Alegretti Filho; der Baron de Ergonte, 'Literat und bekannter Forscher auf dem Gebiet der psychi- schen Wissenschaften'; Dr. Sylvio de Campos, 'berühmter Rechts- anwalt'; Dr. J. Motta, Direktor der Zeitung 'Säo Paulo', ein 'angesehener Advokat' und 'andere Herren von hoher gesellschaftlicher Stellung'. Ein Blick auf das Bild beweist auch dem Unbeteiligten, daß er es hier tat- sächlich mit Männern von Bildung, Geistigkeit und Stellung zu tun hat, und widerlegt den haltlosen Verdacht, die Schrift sei eine Fälschung Mirabellis und seines Anhangs. An Photographien angeblicher Materia- lisationen enthält das Heft im ganzen 16 (wenn man die ihrer Undeut- lichkeit wegen auszuschließenden nicht zählt), wovon 2 das Phantom allein zeigen, 13 dieses und das Medium, 3 außerdem noch einen oder mehrere Sitzer. Eine zeigt uns eins jener Phantome, welche nach Be- richten des Heftes e r k a n n t wurden (nämlich das Töchterchen des Dr. G. de Souza); eine das oben beschriebene Phantom des 'Arabers'. Fünf Bilder könnten auf normales Wachsein des Mediums schließen lassen; auf mindestens dreien zeigt es sich in einem unverkennbar stark veränderten Zustand. Auf einem der Bilder scheint das Phantom das Medium anzublicken; auf fünfen wirft es einen starken Schatten. Vier Bilder lassen das Phantom durchaus einem natürlichen Wesen. Vollphantome der Experimenüdsitzung 135 von Fleisch und Blut gleichen; auf dreien hat es etwas soz. unheimlich starres und totes an sich; auf allen ist es reich und 'natürlich' bekleidet. Mit edlem diesem ist aber natürlich nichts Wesentliches ausgesagt, und die Bilder können keinesfalls über die Gewißheit hinausführen, die wir aus den Berichten schöpfen müssen; so daß der Nachdruck jeden- falls auf diesen ruhen muß. Ich brauche nicht nochmals zu sagen, daß alle solche Zeugnisse dem Zweifler von vorn herein keinen andern Ausweg lassen, als die Annahme von Helfershelfern. Manchen gegenüber versagt sie bereits unzwei- deutig, und wir werden bald weiteren begegnen, die sie ebenso bündig ausschließen. Daneben aber mehrt sich bereits die Beobachtung von Einzelzügen, aus denen die Übernormalität der Erscheinungen un- mittelbar hervorgeht. Ich will mich also nicht bei einer harmlos- groben Ausflucht aufhalten, die der bloße Fortgang der Darstellung klanglos in der Versenkung verschwinden lassen muß. Zunächst wird der Glaube an die Echtheit von Materialisationen, auch wenn die gleichzeitige Beobachtung von Phantom und Medium nicht zustandekommt, sehr häufig verstärkt durch die vermehrte Zahl der Erscheinungen. Oft treten mehrere Phantome nach einander auf, und wenn diese Auftritte rasch auf einander folgen und die Phantome einander sehr unähnlich sind, so drängen sich die Schwierigkeiten auf, die einer mehrfachen Maskierung des Mediums in solcher Eile ent- gegenstehn; ganz abgesehen - wohlgemerkt! - von unmittelbaren Sicherungen gegen derartige Täuschungskünste überhaupt, wie der Untersuchung von Medium und Kabinett vor und nach dem Auftreten von Phantomen, der Fesselung des Mediums u. dgl. m. - Der folgende Bericht legt zunächst noch größeres Gewicht auf solche Sicherungen. Es handelt sich um die schon erwähnte Palladino-Sitzung in Genua vom l.Mai 1902 im Hause Avellino, bei der u.a. Prof.Morselli, E.Bozzano und Dr. Venzano anwesend waren. Als Kabinett diente die einzige Fensternische de9 Eßzimmers. Dieses Fenster wurde mit dunkelrotem Flanell fiberzogen, Eusapia von zwei Damen vollständig entkleidet, jedes Kleidungsstück von den Herren gegen das Licht gehalten und untersucht. Ein vollständiges Ver- zeichnis ihrer Bekleidung wird üns mitgeteilt, einschließlich eines 'zerknüllten weißen Taschentuches'. Die beiden Damen aberwachten das Wiederankleiden des Mediums und ffihrten es ins Sitzungszimmer. Ein Bericht Ober die Sitzung wurde sofort nach Schluß von Dr. Venzano aufgesetzt und von allen Teil- nehmern beglaubigt. Prof. Morselli und Sgr. Avellino banden Eusapias Hände, Körper und Ffiße einzeln mit vielen Knoten an das im Kabinett aufgestellte Feldbett. Das Licht war genügend stark, um die winzige Nonpareilleschrift lesen zu lassen, wie 136 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung Morseiii ausdrücklich feststellte. 'Nach etwa einer Viertelstunde . . . bewegten sich die Vorhänge, als würden sie von zwei Händen auseinandergeschoben, und in der oben gebildeten umfangreichen Öffnung erblickten wir das Ge- sicht eines jungen Weibes, dessen Kopf und sichtbarer Rumpfteil in schnee- weiße Gewandung gehüllt war. Ihr Haupt schien mit vielen Binden des glei- chen Stoffe umwickelt zu sein, sodaß nur ein kleiner eirunder Teil ihres Ant- litzes unbedeckt war, genügend aber, uns Augen, Nase, Mund und Oberteil des Kinnes deutlich sehn zu lassen. Als Sgr. Bozzano äußerte, daß nur ein Teil des Gesichts wahrnehmbar sei, sahen wir zwei Fingerspitzen den Stoff auf beiden Seiten zurückziehn, um die Züge deutlicher und vollständiger zu zeigen. Ehe die Gestalt verschwand, neigte sie ihr Haupt zum Gruße und warf uns einen Kuß zu, dessen Geräusch von allen gehört wurde. - Wenige Mi- nuten später [erschien auf die gleiche Weise und in ähnlicher Kleidung] ein Mann mit großem Kopf und mächtigen Schultern... Sgr. Bozzano und Prof. Morselli erklären, daß sie auch einen dichten Bart auf dem Kinn beobachtet hätten. Das Gesicht des Mannes blieb mindestens eine Minute lang sichtbar. Er verneigte sich mehrmals vor uns und zog sich dann zurück, nachdem er uns mehrere schallende Küsse zugeworfen hatte, begleitet von ausdrucksvol- len Bewegungen des Kopfes. Als die Vorhänge sich geschlossen, hörte man das Klatschen von Händen innerhalb des Kabinetts. In diesem A u g e n - b l i c k vernahmen wir Eusapias Stimme in klagendem Ton nach Prof. Mor- selli rufen;' Nachdem dann dieser, wie oben beschrieben, einige ihrer quä- lenden Fesseln entfernt, erschien die gleiche Frauengestalt, wie zuvor, außer- halb des Vorhangs, auf seiner rechten Seite, neigte wiederholt das Haupt und zog sich zurück. Sie 'warf einen Schatten [infolge des Gaslichts] auf die Wand, und dieser Schatten folgte allen Bewegungen ihres Körpers.' - Eine andre Frauengestalt erschien dann auf der gleichen Seite des Vorhangs, deren einer Arm, nach dem Fallen der Gewandung zu urteilen, nur aus einem Stumpf bestand [was wohl zu merken ist]. 'Die Erscheinung hob und bewegte mehrmals dies halb-geformte Glied, dessen Schatten gleichfalls auf die Wand geworfen wurde und allen seinen Bewegungen folgte.'1 In manchen Fällen erreicht die gestaltliche Verschiedenheit der nach- einander erscheinenden Phantome einen solchen Grad, daß ihre durch- gängige Darstellung durch das Mediinn an sich schon unglaubhaft wird, während die Annahme einer Mehrzahl von Helfershelfern durch die Sachverständigkeit der Beobachter oder die örtlichkeit als solche, die Anordnung des Kabinetts oder die Stellung der Beobachter davor vollkommen ausgeschlossen erscheint. (Und dabei sehe ich hier noch völlig ab von der angeblichen 'Identifizierung' einzelner dieser Phan- tome!) So schreibt Dr. Venzano über eine Sitzung mit der Palladino vom 20. Dez. 1900 im 'Circolo Minerva' folgendes: In dieser Sitzung kam, abgesehn von [einem später zu beschreibenden] Phantom, der Cav. Erba in Berührung 1) APS V I 170 ff. Vollphantome der Experimentalsitzung 137 mit der materialisierten Gestalt eines sehr vierschrötigen Mannes, dem sog. Geiste 'John [Kings', des Tührers' der Eusapia]; Signa. Ramorino mit der Ge- stalt einer alten Frau, die eine ihrer Verwandten zu sein behauptete und in der Tat deren sämtliche Eigenschaften besaß; der Prof. Porro mit der Ge- stalt eines schlanken und zarten jungen Mädchens, dessen tonlose Stimme ihm erklärte, daß sie seine Tochter Elsa sei, die im Alter von kaum 7 Jahren gestorben war; und Sgr. Vassallo endlich wurde umarmt vom Phantom eines Jünglings, dessen Hände er lange in den seinen hielt und in dem er Oberzeugt war seinen verstorbenen Sohn Naldino zu erkennen.'1 Auch das folgende Beispiel läßt diese äußerste Vielgestaltigkeit erkennen. - Gegen Ende des Jahres 1891 veranstaltete die amerikanische Ges. f. ps. Forsch, unter dem Vorsitz des bekannten Rev. M. J. Savage (Boston) mif dem Medium Mrs. Roberts aus New York eine Sitzung in Onset (Mass.) in einem Saal, der n u r eine Tür hatte und im 2. Stock lag. Das Medium wurde in einen fest gearbeiteten Käfig aus Eisendraht (zwischen Holzrahmen) gesetzt, des- sen Tür mit starkem Bindfaden vernäht und außerdem mit einem Vorhänge- schloß und einem besonderen Wachssiegel gesichert wurde. Mrs. Roberts' Kleidung war von einer Dame untersucht worden: sie bestand aus dunklen Stücken. Etwa 60 Personen waren anwesend; die Mitglieder der Ges. f. ps. Forsch, saßen in der ersten Reihe, darunter einige Ärzte. 'Mehr als d r e i ß i g Gestalten kamen während einer Stunde von der Stelle her, wo das Medium sich befand, und materialisierten sich vor ihm, in voller Sicht der Anwesen- den. (Das Gas war 'herabgeschraubt' worden.) Die einzelnen Erscheinungen waren bald groß, bald klein, und wurden von denen erkannt, an die sie sich wandten... Auch mehrere Männergestalten, groß und stark von Wuchs, erschienen, und doch war das Medium eine kleine und schlanke F r a u . . . ' 2 - Das Merkwürdigste aber war, daß während dieser Sitzung das Medium plötzlich außerhalb des Käfigs und Kabinetts erschien, während doch a l l e Verschlüsse des ersteren bei sofortiger Untersuchung in hellem Gaslicht un- verletzt gefunden wurden. Damit erscheinen die vorgenommenen Sicherungen entwertet. Man muß sich aber erinnern, daß auch Dr. Gihiers Medium Mrs. Salmon' aus einem wohlverschlossenen Eisenkäfig hinausgeführt worden ist,4 und daß die e i n w a n d f r e i bezeugte 'Entrückung' der Medien Guppy, Herne und Henderson aus ihren Zimmern6 genau die gleiche Hindurchführung eines Leibes durch festen Stoff (wenn nicht durch eine uns verschlossene Dimen- sion des Raumes) in sich schließt. Ich kann auf diese Dinge hier nicht ein- gehn, betone vielmehr nur, "faß Mrs. Roberts' Erscheinen außerhalb ihres Käfigs b e s t i m m t keinen Betrug beweist, sodaß das Argument aus der starken Verschiedenheit der einzelnen Phantome von dieser Tatsache nicht berührt wird. Zu den mehr oder minder gleichzeitig mit dem Medium beobachteten zahlreichen und verschiedenen Phantomen gehören auch die von Frl. Elisabeth Tambke gelieferten, und ich will, um von vorn herein feste- ren Boden unter die Füße zu bekommen, die wichtigsten Berichte dar- über hier einfügen, obgleich ich damit wieder wesentlich vorgreife; denn diese Phantome bieten gleichfalls jene Besonderheit dar, die erst auf einer späteren Stufe uns res Gedankenganges zu besprechen ist: sie ließen sich als Erscheinungen bestimmter Verstorbener identifizieren. Es soll also der Nachdruck auch hier nicht auf diesen Umstand gelegt werden, sondern bloß auf die Frage der Echtheit der Phantome über- haupt. - Der erste Bericht stammt von Hrn. Hinrich Ohlhaver, weite- sten Kreisen bekannt als spiritistischer Schriftsteller mehr volkstüm- licher Richtung. Die gemeinsamen Bestrebungen haben auch mir Gele- genheit verschafft, ihn persönlich kennenzulernen, und so kann ich hier eine selbständige Einschätzung seines Zeugenwertes bieten. Als Geschäftsmann großen Zuschnitts ist Hr. Ohlhaver durchaus ein Mensch des scharfen Blickes für die äußeren Dinge. Mehrere Erfin- dungen und ihre kaufmännisch-industrielle Ausnutzung hatten ihm - bis zum unverschuldeten Zusammenbruch - bedeutenden Reichtum verschafft. Dem Spiritismiis stand er von Hause aus vollkommen un- gläubig gegenüber und wurde nur durch andre veranlaßt, einen Blick in diese Dinge zu tun. Was er sah, führte ihn bald zu völlig unerwar- teten Überzeugungen. Der Stil, in welchem er seine entscheidenden Erfahrungen beschreibt, läßt durchweg den nüchternen, genauen und streng wahrheitsliebenden Beobachter erkennen. Der folgende Bericht über seine erste Materialisationssitzung mit dem Medium Frl. Tambke (in Wilhelxnsburg bei Hamburg, am ersten Sonntag des Juli 1890) be- ruht, wie mir Herr Ohlhaver schrieb, auf einem 'genauen Protokoll, welches mit allen Einzelheiten am folgenden Tage zusammen mit einem Herrn Zimmermann, der jener Sitzung auch beigewohnt hat, aufgesetzt wurde.' Das Sitzungszimmer maß nur 4 m im Quadrat und enthielt an Möbeln nur die Stühle für die 18 Sitzer. 'Die eine E c k e war durch einen Vorhang von dem übrigen Teil des Zimmers abgeteilt. [Keins der beiden Fenster des zu ebener Erde liegenden Raumes führte in dies Kabinett, in welchem über- haupt nur 'etwa 3 Personen' Platz finden konnten.] Der Vorhang bestand aus einem dunklen, ungefütterten Wollstoff und war unter der Stubendecke be- festigt, reichte aber nicht ganz bis auf den Fußboden herab, sondern ließ noch einen etwa handbreiten Raum f r e i . . . Er bestand aus vier Längsbahnen, die an jeder Seite etwas übereinandergriffen... Als Sitzgelegenheit für das Medium war ein Rohrsessel in das Dunkelkabinett gestellt. - Die Fenster des Zimmers waren durch Vorhänge verhängt, um den Eintritt des direkten Vollphantome der Experimentalsilzung 139 Tageslichtes zu verhindern. Im Sitzungszimmer herrschte ein Dämmerlicht, das aber hell genug war, daß a l l e T e i l n e h m e r s i c h g u t e r k e n n e n k o n n t e n und man d i e Z a h l e n a u f d e m Z i f f e r b l a t t e i n e r v o r h a n - d e n e n W a n d u h r in 3 m Entfernung noch zu sehen vermochte.' Nach ge- nauen Angaben Ober die Anordnung der Teilnehmer und ihre Entfer- nung vom Kabinett (1,5 m) wird das erste Auftauchen von 'etwas Weißem' am unteren Vorhangrande beschrieben, sodann das einer mit einem 'Tüch- lein' winkenden Hand, und schließlich das Hervortreten der ersten 'weißge- kleideten Gestalt' durch eine der Vorhangspalten. Dies war 'eine weibliche Gestalt von wahrhaft holdem Liebreiz', die den meisten Anwesenden bereits wohlbekannte 'Margaritta', von der und ihrer Gewandung Herr Ohlhaver, da er 'in der vordersten Sitzreihe saß', eine bis ins kleinste gehende Beschreibung zu geben vermag, die uns hier indessen nicht zu interessieren braucht. Nach- dem das Phantom mehrere Teilnehmer 'magnetisiert' hatte, u. a. auch den herbeigewinkten Ohlhaver an seinem linken Arm, 'in welchem [er] in der Tat seit einigen Tagen ein schmerzhaftes Gefühl hatte,' zog es sich ins Kabi- nett zurück, wobei 'die eine Längsbahn des Vorhangs mit offenbarer Absicht etwas ins Kabinett hineingezogen wurde, so, d a ß das stark gedämpfte Tages- licht an dieser Stelle ins Kabinett hineinfiel und ich sehen konnte, wie das Medium, Frl. T., schlafend auf depi Rohrsessel saß, den Kopf zur Seite ge- neigt. Dann beugte M. sich etwas zur Seite, . . . ergriff die herabhängende Hand des Mediums, zog sie zu sich empor und zeigte mir die beiden ineinan- derruhenden Hände. Diese beiden Hände bildeten einen erheblichen Kon- trast, denn diejenigen des Mediums waren voll und rund, diejenigen von Mar- garitta aber zart und schmal.' 'M.' trat ins Kabinett zurück, aber noch ehe O. sich auf seinen Platz zurückbegeben, nochmals daraus hervor, grüßte nach allen Seiten, 'und dann war der Platz, wo sie soeben noch stand, plötzlich leer. Sic war nicht in das Kabinett zurückgetreten, sondern sie hatte sich vor unsern Augen dematerialisiert. - Kaum war das geschehen, nicht mehr als eine Sekunde später, wurde der Vorhang von innen heraus [durch das Medi- um] auseinandergehalten, und das Kabinett konnte beliebig untersucht wer- den . . . Außer dem schlafenden Medium und dem Rohrsessel war nichts vor- handen . . . Eine Stelle, etwas zu verstecken, war nicht vorhanden.' 'Annähernd 10 Minuten' später trat 'wiederum eine weißgekleidete, weib- liche Gestalt aus dem Kabinett heraus,' die 'von den meisten Teilnehmern sogleich als die verstorbene Frau von Vater Tambke und als die Mutter des Mediums erkannt und begrüßt' wurde. Auch dies Phantom, das mehrere Teil- nehmer persönlich und zärtlich begrüßte, wird von O. eingehend beschrieben, und zwar s t a r k a b w e i c h e n d sowohl von 'Margaritta' als auch vom Medi- um, vornehmlich bezüglich der Hände; doch kann e r f ü r die E r k e n n u n g natürlich nicht Zeugnis ablegen. Als es schließlich ins Kabinett zurückge- gangen war, 'ragte von dem weißen Gewand noch ein Teil, auf dem Erdboden liegend, gleich einer Schleppe unter dem Vorhang hindurch, etwa 50-60 cm in den Sitzungsraum hinein. Ich erwartete, daß dieser Teil des Gewandes ganz in das Kabinett hineingezogen w ü r d e . . . Es wurde [jedoch] allmählich 140 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung immer winziger und durchsichtiger, bis es sich nach annähernd 2 Minuten gänzlich aufgelöst hatte.' Das Medium kündigte nunmehr an, daß Hrn. Ohlhavers Vater versuchen wolle, sich zu materialisieren. Diese Gestalt trat zweimal nur in die Vorhang- spalte, sodaß Einzelheiten noch nicht erkennbar wurden. O., der ans Kabi- nett herangetreten war, stand im Begriff, sich etwas enttäuscht zurückzu- ziehen, 'als der Vorhang wieder geöffnet wurde, dieselbe Gestalt nochmals er- schien und [diesmal] aus dem Kabinett heraustrat. Vor dem Vorhang stand mein Vater. - Bei den vorhergehenden Materialisationen war ich ganz der kohle Beobachter gewesen. Es würde der Wahrheit nicht entsprechen, wenn ich es auch für diesen Fall sagen wollte. Ich war von einem GefOhl freudiger Dankbarkeit für diesen Beweis beherrscht...' 'Der dunkle Teint [meines Vaters] trat in der weißen Umrahmung [der haubenartigen Kopfbedeckung] intensiv hervor. Die sehr starken und dunklen Augenbrauen waren nahe der Nasenwurzel fast vereinigt. Die breite Stirn war ziemlich hoch und zurücktretend. Die Nase war gerade, mit schmalem Rücken. Schnurrbart und Kinnbart fehlten. Vom Backenbart war auf beiden Seiten nur eine kleine Ecke sichtbar. Mein Vater reichte mir beide Hände, neigte sich etwas zu mir nieder und küßte mir die Stirn. Nachdem er meine Hände eine kurze Zeit in den seinen gehalten hatte, ließ er sie fahren und strich die Kopfbedeckung, die nur sein Gesicht freiließ, überall weiter zu- rück, so daß der ganze Backenbart und auch ein erheblicher Teil des Haupt- haares sichtbar wurde. Dann nahm er meine rechte Hand und führte sie eini- gemale über seinen Backenbart auf und ab. Die Haare des Backenbarts waren schon ergraut, kurz und stark, gerade so, wie sie zu seinen Lebzeiten gewesen waren. Ich konnte sehen, und noch besser, ich konnte fühlen, daß die Haare des Bartes an der Backe nicht flach anliegend, sondern abstehend waren, und die Haarspitzen waren nach oben gebogen. Mein Vater hatte die Angewohnheit gehabt, seinen Bart an den Backen immer nach oben zu streichen, wodurch die Haarspitzen nach oben gebogen waren. Auf dieses scheinbar nebensächliche Merkmal hätte ich wohl kaum geachtet, wenn er nicht meine Hand genommen und sie wiederholt über seinen Bart gestrichen hätte. Seine Hände waren wie zu Lebzeiten groß und sehnig, sie waren so groß, daß meine Hände von mittlerer Größe klein dagegen erschienen. Dabei waren sie in Haltung, Bewegung und Anpassung von voller Natürlichkeit. Der Ausdruck in seinem Gesicht kann am besten mit ruhiger Zufriedenheit bezeichnet werden. Während der ganzen Zeit hatte ich unmittelbar vor meinem Vater gestanden... Ich brauchte nichts mehr zu sehen. Ich hatte mich genügend überzeugt... Die Gestalt meines Vaters zog sich nun in das- Kabinett zurück. Im g l e i c h e n A u g e n b l i c k wurde der Vorhang durch das schlafende Medium weit geöffnet [der so oft beobachtete 'Wille-zum-Beweis']. Mehrere Teilnehmer gingen in das Kabinett hinein. Von der Gestalt und den weißen Gewandstoffen war keine Spur zu finden.' Es traten im weiteren Verlauf dieser Sitzung nun noch drei Phantome auf: 'Marie Kindermann', die Tochter einer anwesenden älteren Dame, ungewöhn- Vollphantome der Experimentdlsitzung 141 lieh lebhaft, mit einem Tituskopf von 'negerartig krausem', schwarzem Haar; ein 'altes Mütterchen', verrunzelt und weißhaarig, mit welken Händen und leicht gekrümmten Fingern, von einem der anwesenden Herren an der 'voll- ständigen Ähnlichkeit' als seine verstorbene Großmutter erkannt, deren 'Identität er nicht in Zweifel ziehen' könne; und schließlich ein sechsjähriger Knabe mit goldblondem und gelocktem Haar, der seinen anwesenden Bruder zärtlich begrüßte. Auf Ohlhavers Bitte setzte der Knabe einen seiner Füße in dessen hohle Hand: 'die Länge desselben war geringer, als die meiner Hand.' Von keiner dieser Materialisationen wird gesagt, daß sie gesprochen habe; sie verständigten sich mit den Anwesenden durch Gesten oder durch den Mund des schlafenden Mediums. In späteren Sitzungen jedoch hörte O. einige auch reden. £ r machte noch etwa 70 solcher Materialisationssitzungen mit und sah dabei 'Margaritta' 32 mal, 'Frau Tambke' 12, seinen Vater 5, 'Marie Kindermann' 9, die Großmutter 2 und den kleinen 'Gottlieb' 3 mal, stets mit genau den gleichen Merkmalen, die Ohlhaver in einer Tabelle sorgfältig zusammenstellt, wobei er Größen bis auf Zentimeter bemißt.1 Von dem Medium dieser Sitzungen sagt er, daß Frl. Tambke wegen 'ihrer selbstlosen Art, ihrer kindlichen Aufrichtigkeit und ihres sanften, heiteren Wesens der Liebling aller' gewesen sei. Die damals 23 jährige junge Dame machte 'mit ihrer gesunden, leicht gebräunten Gesichtsfarbe den Eindruck eines heiteren, achtzehnjährigen M ä d c h e n s . . . Die blauen Augen blickten frei und vertrauend u m h e r . . . Weltmännische Manieren waren nicht ver- treten, wohl aber ein sympathisch berührender, ungezwungener Anstand und feiner Takt. Die kindliche Zutraulichkeit ihres Wesens erhöhte den ange- nehmen Eindruck natürlicher Frische. Diesem Wesen gegenüber den Ver- dacht schlauer Berechnung zu hegen, würde abgeschmackt gewesen sein.' 'Aus eignem Antrieb sprach sie niemals über ihre mediale Begabung, und Sitzungen zu halten, hatte sie wenig Neigung.' Sie 'saß' stets u n e n t g e l t - l i c h , nur weil ihr Vater auf die Förderung spiritistischer Lehren Wert legte. Selbst kleine Aufmerksamkeiten wurden dankend verbeten. - Ich habe die Dame in ihren älteren Jahren kennengelernt, und obgleich ich weiß, wie wenig solche persönliche Eindrücke dem Zweifler gelten, dem jederzeit der Ausweg in das unberechenbare Unterbewußtsein' offensteht, so will ich doch nicht verschweigen, daß der Gedanke, dieses äußerst gütige, stille, mütter- liche Wesen habe in seiner Jugend die abscheulichsten und feinstberechne- ten Betrügereien ausgeübt, um dann mit dem Betrogenen eine glückliche Ehe einzugehen, mir als der Gipfel menschlicher Unglaublichkeit erscheint. - Da übrigens Ohlhavers Bericht bei seinen Verwandten unerschütterlichem Ubglauben begegnete, brachte er schließlich eine Sitzung mit Frl. Tambke im Hause seiner Mutter zustande. Vor dieser Sitzung entkleidete sich das Medium auf eigenen Wunsch in Gegenwart mehrerer Damen, legte dann dunkle Kleider der Schwester Ohlhavers und darüber deren Regenmantel an, 'der zu allem Uberfluß noch am Halse und unten an den beiden Handge - enken eng zugenäht wurde'. Acht Materialisationen erschienen und wurden 'klar erkannt'.1 Ohlhaver selbst erwartet den Einwand, daß seine 'Prüfungen wissen- schaftlichen Anforderungen nicht genügten. Ich will es gelten lassen (schreibt er). Es war auch nicht meine Absicht, andre durch meine Prüfungen zu belehren, sondern ich wünschte nichts weiter, als mich selbst zu überzeugen, und das habe ich erreicht Aber ich glaube sagen zu dürfen, daß die von mir angestellten Untersuchungen praktischen Anforderungen vollauf Genüge leisten.'2 - Diese bescheidene Selbst- einschätzung scheint mir die Vertrauenswürdigkeit des Zeugen nur zu erhöhen. In der Tat sind nicht nur die Versuchsbedingungen, sondern vor allem auch die Beobachtungen selbst, wie man bei genauem Durch- denken finden wird, größtenteils so geartet, daß man sich ihrer An- erkennung nur entziehen kann, indem man den Erzähler eines Über- maßes subjektiver Erinnerungsfälschung (innerhalb 24 Stunden!) be- zichtigt, das ihn als seelisch Belasteten schwersten Schlages hinstellen würde. Die Lebensleistungen des Mannes allein schon widerlegen eine so läppische Kritik, die ja überdies noch viele ihm mindestens Eben- bürtige treffen müßte. - Außerdem besitzen wir über Phantome des Medium^ Tambke einen Sammelbericht du Preis und Andrer nach Sitzungen vom Frühsommer 1890, der Ohlhavers Angaben bis in Einzelheiten hinein bestätigt Sie fanden in München in einem noch unbezogenen, also 'vollkom- men leeren' Atelier statt, in dessen einer Ecke ein dem oben beschriebenen vfillig gleiches Kabinett hergerichtet worden war. Um dieses saß man 'in großem Halbkreis herum'. Das herrschende Halbdunkel 'gestattete, das Atelier seiner ganzen Ausdehnung nach zu Oberblicken, ja jedes einzelne Gesicht zu unterscheiden und zu erkennen'. Frl. Tambke Vurde vor der Sitzung und unmittelbar danach von vier Damen, und zwar sehr gründlich' untersucht, desgleichen Kabinett und Lehnstuhl. Sie trug nur farbige Bekleidungsstücke, schwarze Strümpfe und hohe Knöpfstiefel, und wahrend der Sitzungen an- statt des Kleides einen langen gelben und ungefütterten Regenmantel, der in der zweiten Sitzung sogar zugenäht war. (Die Türen waren verschlossen, das Medium aus guten Gründen ungefesselt.) Auch hier wurde im ganzen 4 mal beim Zurücktreten des Phantoms ins Kabinett 'sofort der Vorhang von innen heraus weit nach beiden Seiten geöffnet', so daß man 'beträcht- lich lange das schlafende Medium sehen' konnte. 'Phantome und weiße Ge- wänder aber waren verschwunden'. Nach du Preis Meinung wären zur be- trügerischen Herstellung der sehr verschiedenen Gewandungen, 'gering an- gesetzt, 20 m Stoff nötig gewesen'. Ihre Einschmuggelung trotz der Durch- suchung hält er für ausgeschlossen. Es wurde eine Photographie erzielt, auf welcher das Phantom 'deutliche, vom Medium ganz verschiedene Gesichts- 1) das. 147 IT. 2 ) das. 150. Vollphantome der Experimentalsitzung 143 zfige zeigt'. Drei Zeugen erblickten unter dem unteren Vorhangsaum gleich- zeitig den unteren Rand des Regenmantels des Mediums, links davon einen großen nackten Fuß mit ausgebildeten Nageln, und rechts den unteren Teil einer weißen Gewandung. Auch hier blieb gelegentlich 'vor dem Vorhang ein weißer Stoff zurück . . . ; er wurde aber nicht ins Kabinett gezogen, sondern verschwand allmählich, wie schmelzender Schnee.' (Vier Zeugen). Was nun die E r k e n n u n g e n während dieser Sitzungen anlangt, so kann man diejenigen der 'Mutter' des Malers Halm-Nikolai, Inhabers des Ateliers, und der 'Gattin' des Hrn. Dr. B. nur als m&ßig überzeugend bezeich- nen. Weit besser war die einer Freundin der anwesenden Baronin Poißl, 'Julie v. N.', die u n e r w a r t e t auftrat und im Gegensatz zum Medium dunkel- haarig erschien, mit kurzer Nase, vibrierenden Nasenflügeln und dunklen Augen mit großen Pupillen und langen Wimpern. Ein dreimaliges Klopfen dieses Phantoms auf die Hand seiner Freundin war 'charakteristisch'. 'Auch die Hand des Phantoms glich genau derjenigen der Julie v. N.; Manieren, Lächeln, Kopfbewegungen' desgleichen. 'Eine Ähnlichkeit mit dem Medium war nicht vorhanden.' Die anwesende Frau v. Arnhard (bei der allerdings Frl. Tambke abgestiegen war) erkannte ihre Mutter u. a. an 'zwei Blatter- narben unter den beiden A u g e n . . . Die Gesichtsfarbe war dunkel, wie in Wirklichkeit.' Herr v. A . fand die Gestalt Svie hell leuchtend'. (Von dieser Dame gab es Oberhaupt keinerlei Bild.) Demselben Zeugen erschien die Ähn- lichkeit des angeblichen Phantoms s e i n e r eigenen Mutter 'frappant', in Be- zug auf Nase, Stirn und Mund, die 'Gebärdensprache und die ganze Art, wie sie sich gab.' Dieser Ansicht pflichteten Frau v. A . und die Baronin du Prel bei, beides Verwandte der Erscheinenden.1 Noch überwältigender wird die Belastung der Helfershelfer-Theorie, wenn m e h r e r e P h a n t o m e g l e i c h z e i t i g wahrgenommen werden, und zuweilen auch gleichzeitig mit der Beobachtung oder Überwachung des Mediums. Die Annahme, daß ein Medium zwei, drei oder gar vier Genossen in die Behausung eines Fremden einschmuggeln könne, um sie dann aus einem Kabinett hervorgehn zu lassen, in das es selbst nur vor den Augen sämtlicher Anwesenden gelangen k a n n und das es bei voller Beleuchtung allein betritt, - eine solche Annahme richtet sich durch ihre verrannte Willkür selbst, - wieder abgesehn von et- waigen unmittelbaren Beweisen für die Übernormalität der erschei- nenden Phantome. In der dritten der Turiner Palladino-Sitzungen unter Lombrosos Leitung sah Dr. Visaiii Scozzi *vor einem Fenster, durch welches einiges Licht drang, eine Schattengestalt sich bilden, die einem Manne von hohem Wüchse glich und deren Profil er in allen Einzelheiten erkennen konnte. Jedesmal, wenn das Phantom sich an dem Fenster vorüberbewegte, erklärten Graf und Gräfin Mainardi, daß es das ihres Neffen Theodor sei, der von ungewfihn- 1) du Frei, Stud. II 274 IT. 144 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung lichem Wuchs gewesen war. Während der ganzen Zeit aber hörte das als 'John King' eingeführte Phantom nicht auf, seine Anwesenheit hinter dem Dr. Scozzi zu bekunden. Es waren also gleichzeitig zwei deutlich unterschie- dene Materialisationen zugegen.'1 Noch stärker war die Ungleichheit zweier Gestalten, die in der erst kürz- lich erwähnten Genueser Sitzung im Hause der Avellinos beobachtet wurden. Nach den beschriebenen, einander ablösenden Erscheinungen 'öffne- ten sich [nach Dr. Venzanos Bericht] die Vorhänge in einer gewissen Höhe über dem Fußboden, und wir sahen eine Frauengestalt erscheinen, die ein k l e i n e s Kind in den Armen hielt, das sie wiegen zu wollen schien. Diese Frau, im anscheinenden Alter von etwa 40 Jahren, trug eine weiße Mütze, geschmückt mit Stickereien von derselben F a r b e . . . Die Kopfbedeckung verhüllte zwar die Haare, ließ aber die Züge eines breiten Gesichts mit hoher Stirn erkennen. Der übrige Kölker, soweit er nicht durch die Vorhänge ver- deckt wurde, war in weiße Tücher gehüllt. Was das Kind betrifft, . . . so mochte es dreijährig erscheinen. Der kleine Kopf war bloß, mit sehr kurzen Haaren; er befand sich etwas höher als der Kopf der Frau. Der Körper des Kindes schien in Windeln gewickelt zu sein, gleichfalls von leichtem und sehr weißem Stoff. Der Blick der Frau war aufwärts gekehrt, mit einem Ausdruck von Liebe zu dem Kinde, das den Kopf ein wenig gegen sie gewandt hielt. Die Erscheinung dauerte länger als eine Minute. Wir standen alle auf und traten heran, was uns gestattete, ihre geringsten Bewegungen zu verfolgen. Ehe der Vorhang sich wieder schloß, bewegte sich der Kopf der Frau ein wenig nach vorn, während der des Kindes, mehrmals nach rechts und nach links sich neigend, dem Gesichte der Frau mehrere Küsse versetzte, deren kindlicher Klang sehr deutlich an unser Ohr drang...' (Prof. Morselli ent- warf eine Zeichnung dieser Erscheinungen, nach welcher der Maler Berisso ein ausgeführtes Bild anfertigte.)2 Die anschließend mitzuteilenden vier Berichte sollen nur gleichsam anhangsweise und u n t e r V o r b e h a l t hier stehen. Jeder von ihnen hat manches für sich: der erste stammt von einem der größten Natur- forscher des vorigen Jahrhunderts, dem man seinen Leistungen nach doch wohl besondere 'Augen im Kopfe' zutrauen möchte und dessen Aussagen nicht eben leichtzunehmen sind; die übrigen drei weisen wohlverbürgte Einzelheiten auf, die a n sich schon die Übernormalität des Beschriebenen zu beweisen scheinen. Anderseits ist hinsichtlich des ersten zuzugeben, daß selbst die schärfste Beobachtungsgabe eines Zoo- logen und Botanikers keine Sicherheit gewährt gegen die besonderen Täuschungsmittel eines betrügerischen Mediums;3 und von den Medien der übrigen drei Fälle ist Miss Wood unzweifelhaft mehr als einmal auf grobem Schwindel ertappt worden; daß sie echte 'Kräfte' nicht immer auszuüben vermocht und, so oft sie ein Versagen spürte, den Anforderungen ihres Berufes durch betrüge- rische Machenschaften zu genügen gesucht habe. Gegen Monck wissen auch die schärfsten Kritiker keine wirkliche Entlarvung ins Feld zu führen, und wir werden noch Leistungen desselben begegnen, die wiederum a n s i c h eine normale Deutung auszuschließen scheinen. Mrs. d'Esperance endlich genießt (wie gesagt) auch bei den namhaften Gegnern unsres Gebietes wenigstens in 'moralischer' Beziehung den besten Ruf und wird von ihnen höchstens als bedauernswertes Opfer somnambulen Selbstbetruges hingestellt; ein Vorwurf übrigens, der durchaus in der Luft schwebt und an manchem noch Anzuführenden erlahmen muß. - Der erste Bericht, von Sir A. R. Wallace, F . R. S., ist offenbar erst längere Zeit nach der Beobachtung aufgezeichnet. 'Die Sitzung, schreibt er, fand in dem Vorderzimmer zu ebener Erde eines kleinen Privathauses [in Boston] statt; aus diesem Zimmer führte eine Schie- betür in ein Hinterzimmer, und eine gewöhnliche Tür auf den Flur. Das Kabinett wurde gebildet durch einen Stoffvorhang, der quer über die Ecke des Zimmers zwischen dem Kamin und der Schiebetür ausgespannt war. Auf der einen Seite war die Außenwand des Hauses, auf der andern die Wand des Hinterzimmers, und hier stand ein Schrank mit Porzellan. Ich wurde aufge- fordert, das Vorderzimmer, den Fußboden, das Hinterzimmer und die Köller- räume, wo sich ein Heizapparat befand, zu untersuchen; ich tat es gründlich und bin gewiß, daß kein andrer Zugang - selbst für das kleinste Kind - außer den Türen vorhanden war. Dann wurde die Schiebetür geschlossen, [der Spalt] mit Heftpflaster überklebt und dieses persönlich gezeichnet. Die zehn Anwesenden bildeten einen Halbkreis vor dem Kabinett, und ich saß mit meinem Rücken gegen die Flurtür und dem Vorhang gegenüber, etwa 10' entfernt. Eine Lampe mit rotem Schirm stand in der entferntesten Ecke hinter den Teilnehmern, bei deren Licht ich die Uhr ablesen und die Umrisse aller Anwesenden unterscheiden konnte, und da sie hinter mir stand, war der Raum zwischen mir und dem Kabinett recht gut beleuchtet. Unter diesen Umständen kam es zu folgenden Erscheinungen: Eine weibliche Gestalt in Weiß trat zwischen den Vorhängen hervor, zusammen mit [dem Medium,] der schwarzgekleideten Mrs. Ross, desgleichen eine männliche Gestalt, alle bis zu einem ziemlichen Abstand vom Kabinett, Nachdem diese sich zurückgezogen, erschienen drei weibliche Gestalten in weißer Gewandung und von verschiedener Größe. Diese traten bis zu 2 oder 3' vor den Vorhang. Eine männliche Gestalt kam hervor, die ein anwesender Herr als seinen Sohn erkannte. Dann trat die hohe Gestalt eines Indianers in weißen Mokassins hervor; er tanzte und sprach, auch reichte er mir und Andern die Hand, eine große, kräftige, rauhe Hand. Eine weibliche Gestalt mit einem kleinen Kinde zeigte sich dicht beim Eingang zum Kabinett stehend. Ich trat heran (nachdem ich dazu aufgefordert worden), befühlte des Kindes Gesicht, Nase und Haar, und kOßtc es, - offenbar ein wirkliches, lebendes Kind mit weicher Haut. Andre Damen und Herren stimmten dem zu. - Sobald die Sitzung beendet war, wurde das Gas angesteckt, und ich untersuchte von neuem die nackten W&nde des Kabinetts, die Vorhänge und die TOr, die alle im gleichen Zustand waren wie zuvor und keinen Raum darboten, wo auch nur das Kind hätte versteckt werden können, viel weniger die übrigen Gestalten. - Während einer andern Sitzung, die unter den gleichen Bedingungen insbesondere f ü r einige Freunde des Dr. Nichols und Mr. Brackett veranstaltet wurde, unter Prof. James' und meiner Teilnahme, . . . erschienen acht oder neun verschiedene Gestalten, einschließlich eines großen Indianerhäuptlings in Kriegsbemalung und Federschmuck, sowie eines kleinen Mädchens, welches mit Miss Brackett sprach und spielte, dazu eines sehr hübschen und vollkommen entwickelten Mädchens, 'Bertha', des Geistes von Mr. Bracketts Nichte, die ihm bei verschiedenen Medien während zweier Jahre erschienen und ihm so gut bekannt ist, wie nur irgendeine seiner nächsten lebenden Verwandten. Sie spricht deutlich, was diese Gestalten selten tun, und Mr. Brackett hat sie häufig aus einer wolkigen Masse sich entwickeln und fast in einem Augenblick verschwinden gesehn.'1 Weniger auf der Verschiedenheit als auf der Vielzahl der gleichzeitig beobachteten Phantome beruht der Eindruck des folgenden Oxleyschen Berichtes, der noch dadurch bemerkenswert ist, daß er deis Merkmal der Mehrzahl verknüpft mit einem der stärksten Beweise für die Objektivität des Einzelphantoms: nämlich der Anfertigung von Gußformen, wie sie eben normalerweise überhaupt nicht herstellbar sind. Ich belege die gleiche Verkoppelung zweier bedeutsamer Umstände dann noch durch zwei Beispiele, ehe ich mich theoretischen Überlegungen zuwende. Oxleys Medium in jenem Falle war Dr. Monck, der auf seine eigene Bitte hin durchsucht wurde und dann das in einem Erkerfenster hergerichtete Kabinett betrat. In diesem waren die venetianischen Rollvorhänge herab- gelassen, die inwendigen Fensterläden geschlossen und verriegelt, und über diese ein schwarzes Tuch gehängt, das am oberen Rande angenagelt war. Dicht an die Vorhänge des Kabinetts war ein 'großer kreisrunder Tisch' herangeschoben, an welchem die sieben Beobachter saßen, so daß ein unbemerktes Betreten oder Verlassen des Kabinetts bei dem im Zimmer brennenden Lichte, das "jeden Gegenstand deutlich sehen ließ', völlig ausgeschlossen war. Auch hätte man jedes verdächtige Geräusch im Kabinett hören müssen; doch wurde nicht der geringste Versuch in der Richtung eines Betruges wahrgenommen. - Unter diesen Umständen 'zeigten sich bald zwei weibliche Gestalten, die wir unter den Namen 'Bertie' und 'Lilly* kannten, an der Berührungsspalte der beiden Vorhanghälften, und als Dr. Monck seinen Körper durch die Öffnung steckte, erschienen diese beiden Gestalten über dem Vorhang, während zwei Männergestalten ('Mike' und 'Richard') ihn nach beiden Seiten auseinandertaten und sich ebenfalls sehen ließen. Wir nahmen also gleichzeitig das Medium und vier materialisierte Gestalten wahr, von denen jede ihre besonderen Zoge hatte, die sie von den andern unterschieden, wie bei lebenden Personen.'1 Zwei dieser Phantome fertigten nun in dieser Sitzung Paraffin-Gießformen ihrer Gliedmaßen an. 'Zuerst gab 'Bertie' dem Mr. Reimers eine Gußform ihrer Hand und mir eine solche ihres Fußes, worauf 'Lilly' anfragte, ob ich eine solche von ihrer Hand wünschte, was ich bejahte; sie tauchte dann ihre Hand in das Paraffin (worauf ich aus dem Ton des Plätschcrns im kalten Wasser schloß), und nach etwa einer Minute streckte sie ihren Arm durch die Vorhangspalte mit der auf i h r e r Hand befindlichen Gießform und ersuchte mich, sie ihr abzuziehen. Ich langte quer über den Tisch hinweg; in einem Augenblick war ihre Hand herausgezogen, und die Gießform verblieb in meiner Hand.' Diese Gliedmaßen waren nach Oxley 'sicherlich nicht die des Mediums', und Aksakow selbst konnte an Umrißzeichnungen der Füße Moncks und 'Berties' (nach dem Abguß, bestätigt durch einen Vergleich mit dem ursprünglichen Abguß) feststellen, daß des ersteren Fuß um 3 cm länger war, als 'Berties'. überdies aber ließen die Einzelmaße der Gießformen ihre normale Erzeugung überhaupt unmöglich erscheinen: 'Die Krümmungen der Finger zeigen, daß sie auf gewöhnlichem Wege nicht herausgezogen werden konnten, ohne die Gießform zu zerreißen, da das Handgelenk nur 2 XIV4 Zoll breit ist, während die Breite der Hand vom äußeren Daumen bis zum kleinen Finger 31/: Zoll beträgt.' Auch erscheint auf dem Abguß 'keine Spur von Spalten oder Verbindungsfugen'. Von dem Fußabguß aber sagt Aksakow: 'Die von den Zehen gebildeten Höhlungen auf der Fußplatte mußten sich notwendigerweise mit Paraffin füllen und somit aufrechtstehende Scheidewände bilden, die bei natürlichem Herausziehen des Fußes völlig hätten abbrechen müssen: trotzdem ist die Gestalt aller Zehen eine vollkommen unverletzte... Noch eine andre Eigentümlichkeit desselben Fußes ist, daß die zweite Zehe über eine andre gelegt ist2 und nach meiner eignen Messung an ihrer Wurzel 14 mm, in der Gegend des Nagels aber 19 mm breit ist; trotzdem sind die Zehenform und die feinen Hautlinien [die übrigens auch auf der Sohle erschienen] an der Zehenwurzel völlig wohl erhalten; alles dies hätte verschwinden und die Dicke der Zehe auf ihrer ganzen Länge die gleiche werden müssen, wenn die Zehe normalerweise [und nicht in dematerialisiertem Zustand] aus der Gießform herausgezogen worden wäre.' Überdies wurde das gesamte vorhandene Paraffin vor und nach der Sitzung gewogen und ein völlig übereinstimmendes Gewicht festgestellt. In ähnlicher Welse und mit gleichem Erfolge experimentierte Mr. W. P. Adshead mit dem Medium Miss Wood. Die beiden Phantome 'Meggie' und 'Bennie' materialisierten und dematerialisierten sich nicht nur vor den Augen der Sitzungsteilnehmer, sondern fertigten auch Gießformen ihrer Füße unter den gleichen Bedingungen an, und zwar die jeeines linken Fußes , "welche von einander verschieden waren. Währenddessen saß das Medium in einem Käfig innerhalb des Kabinetts, das 'von allen Seiten so umgeben und bewacht war, daß keine Möglichkeit sich erdenken ließ, wie ein menschliches Wesen ohne sofortige Entdeckung hineingelangen konnte.' 'Meggie machte zuerst den Versuch. Aus dem Kabinett hervorschreitend, ging sie zu Mr. Smedleys Stuhl und legte ihre Hand auf dessen Lehne. Auf die Frage, ob sie des Stuhles bedürfe, nickte die Gestalt mit dem Kopfe, Mr. Smedley schob darauf den Stuhl bis vor die Eimer [mit dem Paraffin und Wasser] vor. Meggie setzte sich darauf und, ihre langen Gewänder emporraffend, tauchte sie ihren linken Fuß, [abwechselnd in die beiden Eimer], bis das Werk vollendet war... [Darauf] legte sie ihren linken Fuß auf ihr rechtes Knie und ließ ihn dort ungefähr 2 Minuten lang ruhn. Dann zog sie die Form von ihrem Fuße, hielt sie empor, beklopfte sie . . . und legte sie auf mein Ersuchen in meine Hand.' Nach einem bald abgebrochenen entsprechenden Versuch mit dem rechten Fuß begab sich das Phantom ins Kabinett zurück. Hierauf erschien 'Bennie' und vollbrachte genau das gleiche, nur in größerer Geschwindigkeit, während die Herren Smedley und Adshead so nahe zu seinen beiden Seiten saßen, daß jener von dem Phantom am Kopf gestreichelt werden und dieser die fertige Gußform in Empfang nehmen konnte, ohne seinen Sitz zu verlassen. Während dieser Vorgänge war die Käfigtür nicht 'festgeschraubt'. Aber ehe 'Bennie' 'verschwand', zog er unter einem Tisch eine Spieldose hervor und lehnte sie in Kippstellung an die Tür des Käfigs, sodaß, 'wäre die Tür geöffnet worden, die Spieldose rückwärts hätte umgeworfen werden müssen.' 'Bei Schluß der Sitzung wurde die Spiedose noch an der Käfigtür lehnend und das Medium innerhalb des Käfigs in Trans und an den Stuhl gefesselt gefunden.' - Ganz abgesehen nun von diesen Sicherungen ließen sich an den beiden erzielten Gußformen linker Füße wiederum folgende Maßabweichungen feststellen: Die von Bennie gefertigte war 9 Zoll lang und 4" breit, diejenige Meggies 8 " lang und 2,25" breit. (Solche Formen sind bekanntlich stets nur wenige mm dick.) Auf Aksakows Bitte opferte Mr. Adshead die Gußformen und ließ Abgüsse herstellen, an denen die entsprechenden Maße wie folgt festgestellt wurden: Für'Meggie' - Fußumfang gegen den Spann zu 19l/8"; Länge 8 " ; Umfang an der Wurzel der kleinen Zehe 7V2 "; für 'Bennie' - 211/4" bezw. 9 " und 91/2". - 'Der ganze Hergang, schrieb Smedley über diese Versuche, vom ersten Eintauchen bis zur Fertigstellung der Gußform war deutlich zu sehn, und die Tatsache, daß diese Gußformen in der angegebenen Weise hergestellt wurden, ist so sicher bewiesen wie das Scheinen der Sonne oder das Fallen des Schnees. Ich bin bereit zu beeiden, daß sie in der beschriebenen Art verfertigt wurden. Als Fachmann im Eisenguß bin ich in der Lage, bestimmt zu behaupten, daß die Form nicht von den Füßen hätte heruntergenommen werden können, ohne daß die Füße vorher wenigstens teilweise dematerialisiert worden wären. Die sehr dünnen Wachsteile um die Zehen herum und zwischen ihnen sind vollkommen unversehrt.' Mr. Oxley zog sogar am 11. April 1876 in Manchester einer 'kleinen Geistgestalt' unter ähnlichen Umständen persönlich eine Gußform vom Fuß, welche 8 " lang und 3" breit war, während die Öffnung am oberen Ende der Form um den Knöchel herum nur 2,25" im Durchmesser betrug. 'Und doch wurde der Fuß in einem Augenblick aus dieser kleinen Öffnung hervorgezogen, wobei die feinen Zwischenwände zwischen den Zehen ungebrochen blieben und die Hautlinien auf diesen Zwischenwänden zu sehen waren.' Ich schließe mit einem Bericht, der die Lieferung einer Gußform durch das uns bereits bekannte Vollphantom 'Nepenthes' der Mrs. d'Esperance beschreibt. Der Bericht bezieht sich auf eine Sitzung in Christiania unter Leitung des Dr. von Bergen im Hause des Prof. E. Das Medium sagte: 'Sprechen Sie nicht zu mir; ich muß mich ruhig verhalten; bemühen Sie sich alle, ruhig und still zu verharren.' Das leichte Geräusch der sich in die Flüssigkeit eintauchenden und wieder daraus zurückziehenden Hand hielt einige Minuten lang im Schatten des Vorhangs an, während wir die weiße Gestalt voll über das Gefäß gebeugt wahrnehmen. Dann richtete sich Nepenthes auf und wandte sich an uns; sie blickte umher, bis Hr. E. herzulief, der halbverborgen hinter einem andern Zuschauer saß; worauf sie sich ihm zuwandte, in der Luft schwebend und ihm einen Gegenstand reichend. 'Sie reicht mir ein Stück Wachs,' rief er aus; dann sich verbessernd: 'Nein, es ist die Gußform ihrer Hand; sie bedeckt diese bis Zum Handgelenk; ihre Hand löst sich innerhalb der Gußform a u f . . . ' Die Gestalt glitt bereits auf das Kabinett zu, indem sie die Gußform aus Paraffin in den Händen des Hrn. E. zurückließ... Nach Schluß der Sitzung wurde die Form untersucht. Äußerlich erschien sie ungestalten, wie ein Klumpen, aus vielen übereinandergelegten Schichten Paraffin bestehend; aber durch die kleine Pulsöffnung hindurch sah man innen den Abdruck sämtlicher Finger einer sehr kleinen Hand. - Am Tage darauf brachten wir sie einem berufsmäßigen Modelleur (einem gewissen d'Almiri), um einen Abguß herstellen zu lassen. Er und seine Gehilfin betrachteten mit Verwunderung dieses Modell, und da sie feststellten, daß eine menschliche Hand sich zu seiner Herstellung nicht hätte herausziehen können, schlössen sie, daß es durch irgendeinen Kunstgriff erzeugt sein müsse. Als der Abguß fertiggestellt war, erschien vor unsern Augen eine sehr kleine Hand, bis zum Puls reichend, an der sich die Nägel vollkommen abzeichneten, wie auch die feinsten Linien der Knöchel, der Gelenke und der Handfläche. Die vollendet gebildeten Finger . . . überzeugten den Künstler von dem übernormalen Ursprung der Gußform, indem sie in einer Art gekrümmt waren, bei der eine menschliche Hand sich nicht hätte herausziehen lassen.' Ich beschließe diese Tatsachenschau mit einem Berichte des Dr. med. Edwin F. Bowers, Verfasser zahlreicher ärztlicher Schriften volkstümliehen Gepräges und eines ähnlich gehaltenen, temperamentvollen Buches über seine jahrzehntelangen Erfahrungen auf parapsychischem Gebiet. Man wird seine Berichte iiisgesamt als wissenschaftliche Urkunden im Sinne der S. P. R. keineswegs gelten lassen können, und ich führe auch den nachstehenden nur wieder 'anhangsweise und mit Vorbehalten' an, einzelne Randbemerkungen des advocatus diaboli gleich dem Wortlaut einfügend. Ich wähle ihn hier aus, um dem wenig Belesenen ein typisches Beispiel zu liefern für eine fast unübersehbare Masse ähnlicher Berichte, in denen der gläubige Spiritist ohne weiteres 'Beweise' für die objektive Wiederkehr Verstorbener erblickt, während doch auch der kritischer Eingestellte es nicht gerade leicht finden kann, sie ohne weiteres beiseitezuschieben. Für zahllose Menschen ist der 'körperliche' Umgang mit Abgeschiedenen, das Reden und Händeschütteln mit ihnen, das Empfangen ihrer Zärtlichkeiten u. dgl. m. im Rahmen von Materialisationssitzungen zu einem nachgerade alltäglichen Erlebnis geworden, von dem sie mit der gleichen überzeugten Selbstverständlichkeit erzählen, wie vom Zusammentreffen mit Lebenden in den üblichen Formen der Geselligkeit. Wer solche Schriften - wie etwa die der Mrs. Marryat - liest, schwankt schließlich etwas haltlos zwischen zwei entgegengesetzten Einstellungen: soll er die Erzähler beneiden um solche Gewohntheit des Unerhörtesten, oder soll er sie bemitleiden wegen der Leichtigkeit, mit der sie gröbstem Betrug zum Opfer fallen? Soll er die Berichte bis auf den Grund verdammen in der Annahme, daß die frechsten Täuschungsmittel: Geheimeingänge in Fußboden und Wänden, ungestörte Einschmuggelung von Helfershelfern, dreiste Verkleidungen des Mediums bei gänzlicher Blindheit selbst gebildeter Zuschauer hemmungslos angewandt wurden; oder soll er den Angaben der Berichte trauen, die solche Mittel ausschließen wollen und bei der groben Handgreiflichkeit der Vorgänge oft wirklich auszuschließen scheinen? Der Bericht des Dr. Bowers mag also hier stehen als Beleg für eine sehr ausgedehnte Gattung: man wird seine 'starken Punkte' auch ohne Unterstreichung sogleich heraufinden und schließlich nicht übersehen können, daß im Grunde hier nichts behauptet wird, was die allerstärksten Zeugnisse für unsern Tatbestand doch ebenfalls belegen. 'Dr. Moore (schreibt Dr. Bowers) unterschied sich von jedem andern Medium, das ich je seine Phänomene habe hervorbringen sehn. Vor allem waren die Zimmer ..., in denen die Sitzungen stattfanden, nicht von ihm selbst gewählt. ['Dr. Moore konnte nicht nur dasselbe leisten in irgendjemandes Haus, wie in den (gewöhnlich benutzten) Räumen in East 37. Str., sondern tat es auch.'] In dem Hartholzfußboden waren keine Falltüren, und ebensowenig geheime Kammern hinter dem Kabinett. Denn das Kabinett bestand nur aus zwei dunklen Vorhängen an einer Leine, die wir selbst quer Ober eine Ecke des Zimmers gezogen hatten. Hinter dieser (sie) Mauer war der Garten; so konnte kein lebendes Wesen das Kabinett vom RQcken her be- treten. [Das folgt natürlich n i c h t aus der bloßen Beschreibung des Kabinetts; von einer wirklich a u s g e f ü h r t e n Untersuchung seiner Wände aber hören wir leider nichts.] Von vorne wäre es fast ebenso schwer gewesen. Denn wenn der ganze Kreis von 30 Mitgliedern versammelt war [und kein Helfershelfer darunter?], hatte die dem Kabinett zunächst stehende Stuhlreihe einen Abstand von höchstens 6 Fuß. Diese Stuhlreihen bildeten einen Halbkreis von Wand zu Wand. Die einzige Tür befand sich hinter der letzten Stuhlreihe; so daß, wenn irgendjemand durch die Tür hätte eintreten können - die übrigens vor der Sitzung stets verschlossen wurde -, er nur über die Köpfe der Anwesenden zum Kabinett hätte klettern können. Das Zimmer war von einer Rubinglaslampe schwach erleuchtet, wie die Photographen sie beim Entwickeln benutzen. Hatten die Augen sich an dieses Licht gewöhnt, wozu wenige Augenblicke genügten, so konnte jeder Gegenstand von der Größe eines Mannes oder selbst eines Kindes leicht unterschieden werden. Dr. Moore saß a u ß e r h a l b des Kabinetts, den Anwesenden voll sichtbar, . . . während irgendein Phantom (spirit) in mehr oder minder materialisierter Gestalt aus dem Kabinett hervorglitt und einen Verwandten oder Freund begrüßte... Moore forderte gewöhnlich jeden beliebigen der Anwesenden auf, während der Vorgänge neben ihm zu sitzen, seine beiden Hände zu halten und seine Füße mit einem oder beiden eignen Füßen zu bedecken. Ich selbst habe dies mehrere Male getan. Unter allen diesen Umständen habe ich wiederholt Geister Verstorbener aus dem Kabinett hervortreten und die abgeteilte Nische verlassen gesehn. Bei einer oder zwei Gelegenheiten, als nicht so viele Sitzer zugegen waren und folglich mehr Raum zum Umhergehn verfügbar war, habe ich gesehn, wie diese Personen zu jemand gingen oder schwebten, der mindestens 10 oder 12 Fuß vom Kabinett entfernt saß, und dort ihre Botschaften soz. vertraulich ablieferten. Gelegentlich beugten sich diese Gestalten über jemand und küßten ihn auf die Stirn, ehe sie sich verabschiedeten. Ich bin mehrmals Zeuge dieses einzigartigen Beweises gewesen. Die Geister machten sich nie die Mühe, ins Kabinett zurückzukehren und sich [dort] zu dematerialisieren. Nachdem sie ihren Besuch beendet, lösten sie sich anscheinend auf, indem sie in oder unter den Fußboden verschwanden. Zuweilen war dies Verschwinden ein allmähliches, zuweilen geschah es im Bruchteil einer Sekunde. Unter den 30 Personen des Zirkels befanden sich Ärzte, Rechtsanwälte, ein Dozent an einer der Fakultäten der Columbia-Universität [in New York], eine Anzahl Studenten derselben aus verschiedenen Ländern, einschließlich eines bereits graduierten Japaners. Ferner der Richter Goff, . . . ein würdiger und gelehrter Herr, der seine Überzeugung bekannte: daß die kleine Erscheinung, die mehrmals zu ihm hingeglitten war und leise zu ihm gesprochen hatte, seine vor nicht langem verstorbene Frau sei. Die Sitzung begann gewöhnlich mit dem Absingen eines geistlichen Liedes oder einer andern bekannten Melodie... Dann folgten einige Augenblicke des Schweigens, plötzlich unterbrochen, durch eine kräftige, kehlig klingende Begrüßung, während eine hohe Gestalt, anscheinend in indianischer Kleidung, ins Zimmer trat. [Nach der Dematerialisierung dieses Wesens erschien ge- wöhnlich] seine kleine Nichte, ein Kind von anscheinend sechs Jahren. Gelegentlicher schienen diese beiden Wesen gleichzeitig . Das kleine Kind führte mit sich einen der süßesten und lieblichsten 'Einflüsse', die ich je erfahren - e n g e l h a f t ist das einzige Wort, um es auszudrücken -, und dazu ein höchst verblüffendes Rätsel. Denn diese kleine Person hatte während der 30 und etlichen Jahre ihres jenseitigen Lebens eine wahrhaft erstaunliche Menge von Wissen auf vielen Gebieten erworben. Der Lieblingsplatz dieses reizenden Mädels war [übrigens] auf den Knieen des Mediums. Sie hüpfte meist dort hinauf und machte es sich bequem, wie nur irgend ein lebendes Kind hätte tun können. [Der advocatus diaboli erinnert hier an die Puppen der Bühnen-Bauchredner. Aber woher kam diese? ] Ich habe wiederholt anderthalb Fuß oder noch weniger von diesem Geistlein entfernt gesessen und sie über Sätze in Piatos 'Republik' oder 'Phädo', Marcus Aurelius' 'Meditationen', Kants 'Kritik d. r. V.', Spencers 'Erste Prinzipien' und andre philosophische, naturwissenschaftliche und literarische Dinge ausgefragt. Gelegentlich berührten wir etwas, was das Kind 'in der Schule' nicht gelernt hatte. Dies geschah z. B. eines Abends, als ein Professor der Geologie es fragte, ob es ihm die Namen der Riesenreptilien des Mesozoikums angeben könne. Die indianische Elfe drehte den Kopf einen Augenblick zur Seite, wie ein kleiner Vogel. Dann erwiderte sie lebhaft: 'Nein, Doktor, das kann ich nicht. Aber wenn Sie einen Augenblick warten wollen, werde ich jemand herbringen, der es kann.' Und im Handumdrehn war sie verschwunden, wie ein Nebelstreif. Nicht mehr als 30 Sekunden konnten verflossen sein, als sie wieder aus dem Kabinett erschien, diesmal gefolgt von einer hohen Gestalt. In einer tiefen, etwas rauhen Stimme sagte diese: 'Unser kleiner Führer sagt mir, daß einer von euch Herren eine Frage über Paläontologisches an sie gerichtet hat, deren Beantwortung vielleicht in mein Gebiet schlägt. Ich bin Professor Geikie - Archibald Geikie, [der bekannte, 1924 verstorbene englische Geologe]. Darf ich Sie bitten, Seite 338 meiner 'Geologie' nachzuschlagen. Sie finden dort ein vollständiges Verzeichnis der Riesenreptilien der fraglichen Zeit.' Ich schrieb mir die Seitenzahl auf und fand, nach Hause zurückgekehrt, daß Geikie, dessen Buch ich in Hochschultagen benutzt hatte, darin eine vollständige Beschreibung der fossilen Uberreste des Ichthyosaurus, des Plesiosaurus und anderer Saurier jener Periode geliefert hatte [und auf welcher Seite?]. - Es wurde schließlich etwas Gewohntes für dieses kleine indianische Mädchen, fachmännische Hilfe zu suchen, so oft sie etwas über die Grenzen ihres Wissens Hinausgehendes gefragt wurde. Eines Abends erschien der Bruder unsres studierenden Japaners und sagte zu seinem Bruder in Amerika, daß er von einer Flutwelle ertränkt worden sei, welche ein Küstengebiet in Japan vor wenigen Minuten überschwemmt habe. Wir prfiften diese Botschaft am nächsten Morgen nach und fanden sie restlos genau.' Mit dem Vorstehenden soll, trotz der Vorbehalte in einigen Fällen, die nackte Tatsache des objektiven Sitzungsphantoms, der 'Materialisation', als gesichert gelten. Das Vorgebrachte mag nicht jedem Leser schon das Gefühl der 'Wirklichkeit', also den vollen 'Glauben' verschafft haben. Doch werden die nachfolgenden theoretischen Erwägungen so viel an neuen Beobachtungen beibringen und so viel innere Zusammenhänge zwischen ihnen aufweisen, daß auch sie zur Glaubhaftmachung der Tatsache-an-sich nicht wenig beitragen werden. Der dauernd von Zweifeln Beschwerte sollte übrigens nicht vergessen, welchen Zuschuß an Gewißheit uns die zu Beginn dieses Abschnitts vorgeführten Tatsachen liefern. Es ist doch sehr wahrscheinlich (wenn nicht geradezu selbstverständlich), daß zwischen dem objektiven Spukphantom und dem objektiven Sitzungsphantom irgendeine Wesensverwandtschaft besteht. Indem wir uns von der Wirklichkeit det ersteren überzeugten, haben wir also auch schon ein günstiges Vorurteil für das letztere geschaffen. Gibt es objektive 'Erscheinungen' in wenigstens scheinbarer Unabhängigkeit von einem Medium, so ist es wahrscheinlich - angesichts der erwiesenen mannigfaltigen Hilfeleistungen von Medien dem Unsichtbaren gegenüber -, daß die Verwirklichung objektiver Sitzungsphantome im offenbaren Zusammenhang mit Medien erst recht möglich sein werde, wie es nunmehr tatsächlich den Anschein hat. Der dauernd von Zweifeln an letzteren Beschwerte sollte aber schließlich auch nicht vergessen, daß das ihm hier Vorgeführte, wie gesagt, nur ein Bruchteil des überhaupt Berichteten ist, und daß jenes Gefühl der Wirklichkeit für den, dem eigene Beobachtungen fehlen, nicht zuletzt von der Anhäufung schwer verwerfbarer Berichte abhängt. Gefordert wird allerdings in jedem Fall, daß man sich von der üblichen Verwechslung des Gewohnten mit dem Verständlichen freimache, und von der lächerlichen Einbildung, daß wir eine Einsicht in die Gesetze des Lebens besäßen, die uns befähigte, die Grenzen des Möglichen zu bestimmen. Wie viel von dem Allergewohntesten - etwa das Keimen einer Blüte im Frühling und ihre allmähliche Ausbildung zur Frucht - hat für die meisten den Grund- zug des unfaßlich Wunderbaren völlig verloren, den es doch für die- jenigen nie verliert, die sich der abstumpfenden Wirkung der Gewöh- nung zu entziehen vermögen. Wie vieles anderseits an neuartigen Tat- sachen leidlich durchschaubarer Art ist uns heute längst alltäglich geworden, was früheren Geschlechtern als Wunder oder, falls bloß behauptet, als völlig unglaubhaft erschienen wäre! Selbst geniale Köpfe älterer Zeit - ein Descartes oder .Galilei - hätten die ihnen vorge- führte Tatsache des angeblichen 'Hörens' von Stimmen aus einem an- dern Erdteil - wenn nicht für 'okkult', dann eben für 'Schwindel' er- klärt. Die Gabe, sich von solchen Fesseln der Gewöhnung freizumachen, ist allerdings den Menschen in sehr verschiedenem Maße eigen und setzt wohl im besten Fall einen gewissen ahnungsvollen 'Blick' für ver- hüllte Naturmöglichkeiten voraus, einen 'Spürsinn' für Zusammen- hänge, die uns künftige Einsichten verheißen. Es gibt nicht nur eine Leichtgläubigkeit des beschränkten, sondern auch eine Schwergläubig- keit des unbeweglichen und unfruchtbaren Geistes. Aber die Beru- fung auf Undenkbarkeit' ist zu oft - von den Eleaten bis auf die Pa- riser Akademie vom Jahre 1790 - durch die Hartnäckigkeit der Tat- sachen zum Spott geworden, als daß sie bei einem vorurteilslosen Denker heute noch verfangen könnte. Auch das 'Denkbar' der Zustim- menden ist diesen ja nicht gerade im Schlafe gekommen! T)ie Phäno- mene, die ich zu bezeugen bereit bin,' schrieb Will. Crookes, gewiß einer der größten unter den Zeugen für die Tatsache der Materiali- sation, 'sind so außerordentlich und so unmittelbar entgegengesetzt den festest eingewurzelten wissenschaftlichen Glaubensmeinungen, . . . daß sogar jetzt, da ich mir die einzelnen Vorgänge vergegenwärtige, deren Zeuge ich gewesen, ein Widerstreit in meinem Geiste besteht zwischen der Vernunft, welche dies für wissenschaftlich unmöglich erklärt, und der Uberzeugung, daß meine zwei Sinne des Gesichts und Getastes (und zwar im Einvernehmen mit den Sinnen aller übrigen Anwesenden!) keine falschen Zeugen sind, wenn sie gegen meine vor- gefaßten Begriffe aussagen. Aber die Annahme, daß eine Art Wahnsinn der Verblendung sich plötzlich einer ganzen Gesellschaft verstand- begabter Personen bemächtigt, die doch bei andern Gelegenheiten völlig geistesgesund sind, und daß sie alle in den geringsten Einzel- heiten und Besonderheiten der Vorgänge übereinstimmen, deren Zeugen sie gewesen zu sein glauben, - eine solche Annahme erscheint mir unglaubhafter als selbst die Tatsachen, die sie bezeugen.'1 1) Crookes 891. Die ideoplastische Theorie der Erscheinung 155 6. Die ideoplastische Theorie der Erscheinung Überschauen wir die Gesamtheit der Tatsachen, die hier seit dem Aufwerfen der Frage nach der Objektivität von Phantomen vorgelegt worden sind, so können immerhin Zweifel an ihrer wesentlichen Ein- heitlichkeit und Zusammengehörigkeit entstehen. Fernerscheinungen Lebender und Sterbender, Spukerscheinungen und die Teil- oder Voll- phantome der Materialisationssitzung - sind sie wirklich e i n e r Art, und sind Begriffe denkbar, die uns die g a n z e Reihe einheitlich deuten las- sen, - abseits vom ( h e r k ö m m l i c h e n ) Begriff der 'Halluzination', dessen Anwendung auf die Gesamtheit dieser Erscheinungen für uns nun allerdings schon unmöglich geworden ist? Die Frage mag manchem ein sofortiges 'Nein' zu fordern scheinen. Trotzdem kann man sagen, daß ihre Bejahung durch wohlunterrichtete Theoretiker keineswegs selten ist. Und zwar sind es im wesentlichen zwei Begriffe, wennschon in leichten Abwandlungen und Übergängen, deren Anwendung durch die g a n z e Reihe hin versucht wird und die auch unsre Erörterung werden beherrschen müssen: der Begriff einer ' f e i n e r e n ' L e i b l i c h - keit des Menschen, unsichtbar für gewöhnlich und für die meisten, aber unter bestimmten Bedingungen sichtbar werdend; und der Begriff des unter dem Einfluß einer V o r s t e l l u n g ad hoc g e s c h a f f e n e n Phantoms. 'Astralleib', 'Ätherleib', 'Perisprit', 'Doppelgänger' ( double) sind gangbare Fachworte für den ersten;1 'Ideoplastie' ist der gang- barste für den zweiten.2 Beide bezeichnen unstreitig die tiefsten Rätsel und quälendsten Probleme, die im ganzen Bereich metapsychischer Forschung aufgegeben werden. Ein Versuch, auch die gewöhnliche Femerscheinung unter den Begriff der quasi-objektiven Verwirklichung einer Vorstellung zu bringen, ist uns bereits oben in Frederic Myers' Begriff des 'phantasmogenetischen Zentrums' begegnet. Hauptsächlich unter dem Eindruck der Tatsache kollektiver Wahrnehmung nahm dieser gedankentiefe Forscher offen- bar an, daß der - vorwiegend unterbewußte - Drang oder Wille zur Beeindruckung eines Entfernten irgend etwas Wirkliches an jenem Ort erzeuge, was unter Umständen auch mitanwesenden Fremden die Wahrnehmung des 'Agenten' aufdringe. Freilich blieb der Begriff dieses für alle gemeinsamen phantomerzeugenden 'Zentrums' durchaus im Rätselhaften stecken: er drückte mehr eine Denkforderung - ein Postulat - aus, als einen deutlichen Gedanken. Diese Zurückhaltung im Formulieren des Unfaßlichen mag denkerische Weisheit sein: jeden- falls läßt sie das Marternde unsrer Lage doppelt empfinden. 1) Geschichtliches z. B. bei Broflerio 2611. 2) Zur Geschichte dieses Begriffs vgl. LO 1027 172B.; Aksakow I 26f.; Buchner 3141. 156 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung Etwa die Mitte zwischen solcher abstrakten Haltung und der eindeu- tig realistischen Annahme eines feinstofflichen Doppelgängers zur Er- klärung von Fern- und Spukerscheinungen nimmt G. F. Daumer ein, ein ziemlich vergessener deutscher Denker aus der Nachblüte roman- tischer Naturphilosophie, den es mit Zaubergewalt in die Schattenwelt des Unsichtbaren gezogen hat 'Jedes organische CebiLd,' schreibt er einmal, 'ist die Darstellung einer Idee, eines Urbildes, das sich durch Anziehung von äußeren, irdischen Ele- menten und Stoffen eine äußere, irdische Anschaulichkeit und Wirklichkeit gibt. Aber diese Idee ist nicht als bloßer Schatten zu betrachten, der nicht schon für sich eine gewisse Realität, ein gewisses Leben und Dasein hätte. Ein solcher Schatten . . . wäre machtlos und könnte nicht bewältigend und gestaltend in die äußere, irdische Natur eingreifen [was ja das Spukphantom doch tut]. Die Idee, von der hier die Rede ist, muß schon ohnehin und von vorn herein etwas zugleich Reales, Lebendiges sein; und wenn sie sich einen Leib im gemeinen Sinne des Wortes anschafft, so ist das ein zweiter, durch welchen sie nur ins Extreme der Äußerlichkeit [der Stofflichkeit] übertritt.' Daumer spricht dann (wie später du Prel) von den bekannten 'Integritäts- geffihlen' Amputierter als Empfindungen des 'andern, inneren Leibs', der das 'gewissermaßen leibliche Urbild des äußeren, sichtbaren Leibes' sei, der nach 'Wegdenken' des äußeren Leibes übrigbleibe, - des Geistes oder Gespenstes, das etwas 'von der Seele Untrennbares', 'zu ihr selbst Gehöriges' sei, 'nach welchem der Leib gebaut ist und das insofern ein zwischen Seele und Leib stehendes Mittleres, doch nur als Produkt der Seele, ist.' 'Das ist der fest- zuhaltende Grundbegriff unsrer E i d o l o l o g i e , der Lehre von der unmittel- baren Selbstrealisations- und plastischen Selbstdarstellungskraft der Men- schenseele und ihrem Erzeugnis, welches ich Eidolon nenne...' Und er meint, daß, wenn die Seele erst ihren Leib aufgegeben habe, sie 'ihren immanenten Realismus in beliebiger Weise entfalten kann,' was sie in der Sichtbar- machung von allerlei Nebenwerk (auch Kleidung u.dgl.) betätigen könne- Doch 'ergeht sich die durch den Tod entfesselte plastische Kraft der Psyche (u. U.) auch in noch freierer und wechselvollerer Manier.' Und dies dehnt er dann bis zur Erzeugung von Fremdgestalten aus, wie sie sich etwa bei Spuken zeige, die aus mehr als e i n e r Personenerscheinung bestehen: z.B. aus einer Mutter mitsamt ihrem Kinde, oder gar in dem Sichtbarwerden ganzer Ver- sammlungen oder Schlachtenheere,1 - wofür ich ja schon früher Belege ge- geben habe. Dem sofortigen Übergang zum Begriff des 'Doppelgängers' im Sinne einer feineren Leiblichkeit begegnen wir, wie mir scheint, am häufig- sten bei französischen Fachleuten, die sich ja überhaupt am frühesten und ausgiebigsten mit der Erforschung der experimentellen 'Extério- risation' phantomartiger Gebilde aus dem Körper Lebender beschäftigt haben. X) Daumer I 75f. 84. 90f. 99. Die ideoplastische Theorie der Erscheinung 157 Für Gabriel Delanne z. B. gibt es zwar auch 'telepathische Halluzinationen' mit 'wahrem' menschlichem Inhalt, - also Halluzinationen jener Art, in der Gurney und Podmore den echten Deutungsbegriff für alle Fernerscheinungen Lebender, Sterbender und Toter zu finden meinten. Sie verraten aber ihre telepathisch-halluzinatorische Wesensart dadurch, daß sie bei mehreren Perzipienten verschiedene Formen annehmen; etwa die eines Bildes bei dem einen, die eines Klanges beim zweiten, und bei einem dritten die eines bloßen schmerzlichen Gefühls. In allen Fällen k o l l e k t i v e r Beobachtung dagegen, wo besondere Merkmale des Phantoms oder gar seine Ortsbewegung von Mehreren übereinstimmend wahrgenommen werden, greift Delanne ohne wei- teres zum Begriff der 'telepathischen Erscheinung',1 welche 'die tatsächliche A n w e s e n h e i t der Seele (äme) voraussetzt', und das heißt: des 'perispri- talen Leibes'. Wird dieser feinere Leib nicht a l l e n am Ort seines Auftretens Anwesenden sichtbar, so beweist dies nach Delanne lediglich, daß die betref- fende Erscheinung 'nicht genügend materialisiert ist, um die normale Sehkraft zu beeindrucken.' Diejenigen, die den perispritalen Leib dann tatsächlich wahrnehmen, seien dazu befähigt worden durch 'eine besondere [telepathi- sche] Beeinflussung seitens des Agenten, welche sie hellsichtig machen könne.' Erst wenn die 'Materialisierung' des ausgesandten Doppelgängers einen genügenden Grad erreiche, 'um das gewöhnliche Licht zurückzuwerfen', werde er der normalsichtigen Beobachtung durch jeden Beliebigen zugäng- lich. Delanne scheut sich denn auch nicht vor der ausdrücklichen Behaup- tung, daß in Fällen solcher objektiven Fernerscheinung die 'Substanz' des Doppelgängers unter Umständen 'den Raum durchquert habe mit einer Ge- schwindigkeit, die sich derjenigen des Lichtes oder der Elektrizität nähere, ohne doch den gleichen Gesetzen zu gehorchen;' daß der double 'mit photo- graphischer Treue alle Besonderheiten des Leibes - nach Form und Farbe -. ja selbst plötzlich entstandene, wie Wunden oder Quetschungen, wiederhole,' nicht minder 'Kleider und andre gegenständliche Zutaten'; ja daß z. B., wenn sich der Perzipient gerufen hört, dies 'eine Verdoppelung, eine wahre Ma- terialisation des Stimmapparats der Erscheinung' beweise.2 Eine Mehrzahl unter denen, die sich auf unserm Gebiete Fachleute nennen dürfen, wird wahrscheinlich gegen solche Vereinheitlichung der Tatsachen gerade unter dem Begriff der 'feineren Leiblichkeit' nach- drückliche Verwahrung einlegen, und e s gab eine Zeit, da ich mich ihnen sofort und unbedenklich angeschlossen hätte. Fortgesetztes Nach- sinnen hat mich zu immer wachsender Zurückhaltung des Urteils ge- führt; denn auf keinem mir bekannten Gebiete von Forschung wird der denkerisch Bewegliche und Unvoreingenommene in gleichem Maße soz. hin- und hergerissen von Wunder zu Wunder und von Verwirrung zu Verwirrung. Alle Gedankengänge der philosophischen Naturwissen- schaft wie auch der Erkenntnistheorie verknoten sich in diesen uner- hörten Tatbeständen in wahrhaft bestrickender Weise, und man darf wohl behaupten, daß wer uns restlos erklären könnte, was ein 'Phantom' ist, schon damit den größten Teil aller 'Welträtsel' gelöst hätte: es sollte mich wundern, wenn der Fortgang der Untersuchung nicht we- nigstens dies dem Leser fühlbar machte. Es ist gerade die unerhörte Wandlung, die neuerdings die Grundbegriffe der Physik erlebt haben, vor allem die Auflösung des älteren starren Begriffs der Materie, was die Möglichkeit ganz neuartiger Lösungen auch unsres Problems nahe- zulegen scheint Materie gilt ja - so drückt ein geistvoller Denker in frei andeutenden Worten die Lage aus - nicht länger als etwas 'Absolutes'. Gewicht, Trägheit, Maße eines Körpers können veränderlich sein, sodaß 'nun keine einzige Ei- genschaft mehr übrig bleibt, die als wirklich und im eigentlichen Sinne kon- stant bezeichnet werden k a n n . . . Die Vernichtung und die Schöpfung von Materie liegen jedenfalls durchaus im Bereiche wissenschaftlicher Vorstel- lungsmöglichkeit, vielleicht sogar im Bereiche experimenteller Möglichkeit', und Versuche im Sinn einer Dematerialisation rücken in den Gesichtskreis der Wissenschaft. Dann aber warum nicht auch solche der Schöpfung von Materie? 'Die Welt rauscht auf aus ihrer plastischen Stauung, und sie ver- rauscht . . . Sie ist nicht mehr die harte Substanz, sondern flüssige Funktion, nicht mehr starres Sein, sondern werdender, wechselnder Zustand. Die Welt ist nur mehr Verweltlichung. Mit ihrer Konstanz verliert die Materie ihre Absolutheit, mit ihrer Absolutheit ihre Selbständigkeit.' Der 'Weg auf zum Geiste hin und vom Geiste her' tut sich wieder auf. 'Materie ist Materialisie- rung. Der Aether, Wiege und Grab der Materie, ist nicht brauchbarer als - Gott. Er ist nur das Symbol jener Indifferenz, in der das Materielle zum Im- materiellen. ja zum Geistigen übergeht.' - 'Nach heutiger Anschauung wächst die Masse mit der Geschwindigkeit, folglich mit der beschleunigenden Kraft. Folglich ist Masse nur das Korrelat der Kraft, der Widerstand, das Beharrende gegenüber dem Treibenden, das Passive gegenüber dem Akti- ven. Ohne Kraft gäb's keine Masse... Eine geistige Bewegung wird durch Wiederholung beschleunigt und dadurch mehr und mehr ins Mechanische, Körperliche abgesetzt, gleichwie Bewegung mechanisch, körperlich wird, in- dem sie beschleunigt wird, und umgekehrt... Die Materie ist eine langsame Kraft, die Kraft eine rasche Materie. Und da es keine absolute Zeit gibt, könnte andern Sinnen a b Materie sichtbar erscheinen, was uns als Energie er- scheint, wie die Elektrizität, und umgekehrt.'1 Kürzer und nüchterner ausgedrückt: dem Physiker ist heute der Ma- teriebegriff im alten Sinn, der Begriff von starren Teilchen irgend- welcher Art, von 'Wirklichkeitsklötzchen', restlos unter den Fingern zerronnen. Er kennt nicht mehr eine 'Substanz', die zunächst da sein muß, damit dann etwas an und mit ihr geschehen könne, sondern nur 1) Jo"l 358D. 392. 395. (z.T. nach Lodge, Life and Matter). Die ideoplastische Theorie der Erscheinung 159 noch ein Etwas, was überhaupt die Welt von einem leeren (vierdimen- eionalen) Ordnungsschema unterscheidet.1 Selbst die letzten Bestand- teile, in welche die neueste Forschung das ehedem einheitliche Atom auseinandergelegt hat - Proton, Elektron, Neutron, Positron, Neutrino -, gelten nicht mehr als unzerstörbar; in der Vereinigimg können sie - verschwinden und nur einen gewissen Betrag von - Energie übriglassen, 'das Einzige, was nach allem, was wir wissen, tatsächlich unzerstörbar ist'2 Anders ausgedrückt: es bleiben in diesem 'dynami- stischen' Weltbilde schließlich nur 'Wirkungen' übrig, ein rastloses 'Sichdurchkreuzen von Billionen und aber Billionen von Wirkungen in kosmischer Ordnung'; mag man diese in die physikalische Rechnung (nach Slavek) als Licht-Quanten oder (nach Schrödinger) als 'Wellen- pakete von Schwingungen' oder was sonst einführen, d. h. als 'perio- dische Veränderungen' irgendeiner Größe, gleichgültig welcher Art diese ist.3 Wie das Beispiel gewisser lebender Physiker zeigt, ist von solcher Auffassung bis zum Satze, daß 'im Grunde' alles nur 'Geist' sei, kein weiter Schritt, und der Gedanke, daß ein geistiger Antrieb ein stofflich erscheinendes Gebilde hervortreibe, erscheint dann gewiß nicht mehr abenteuerlich. Ich habe denn auch schon lange die An- sicht vertreten, daß die heutige Entwicklung der Physik eine klärende Befruchtung bestimmter Gebiete des 'Okkultismus' erwarten lasse, und es hat mich nicht gewundert, als ein führender Theoretiker der neu- esten Materie-Forschung (dessen Namen ich einstweilen glaube ver- schweigen zu sollen) mir brieflich versicherte, daß ihm die Tatsachen der Materialisation a priori keineswegs unwahrscheinlich erschienen. Darf man am Ende auch umgekehrt erwarten, daß führende Physiker sich bald genug aus den Tatsachen der Phantomatik - Anregung und Bestätigung ihres Nachdenkens holen werden? Aus solchen Überlegungen heraus aber erscheint es nun bedeutsam, wenn sich der Theorie des schon bestehenden 'feineren Leibes', die ich oben aus Delanne belegte, heute eine andre gegenüberstellt, die von dem Begriff der Ideoplastie, der vorstellunggelenkten Erschaffung solchen Leibes ausgeht. Als ihr entschlossenster Vertreter dürfte Boz- zano zu nennen sein. Er bezieht dabei sogar den Tatbestand ein, den sonst fast jeder noch von aller phantomatischen Objektivität zu sondern bestrebt ist: den Tatbestand der Halluzination. Wer wenigstens einige "Erscheinungen' als 'telepathische Halluzinationen' betrachtet wissen will, der will sie damit eben auch als 'bloße Vorstellungen' be- zeichnen (wennschon übernormal angeregte); er will sie insofern ent- gegensetzen allen Erscheinungen, denen irgendwelche Objektivität 1) Bavtnk 180. 2) Prof. P. Jordan In Geistige Arbelt, 5. April 1B37. 3) Bayink 18111. 160 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung nicht eibzusprechen wäre. Indem nun Bozzano auch der Halluzination schon Objektivität zuschreibt, auch sie als r e a l e G e d a n k e n s c h ö p - f u n g bezeichnet, vertritt er einen Begriff, der heute gewissermaßen in der Luft liegt und seine eigentliche Geschichte wahrscheinlich erst v o r sich hat. Es ist schon seit langem aufgefallen, daß sowohl frei erzeugte als auch von außen s u g g e r i e r t e H a l l u z i n a t i o n e n sich unter Umständen verhalten wie 'wirkliche Dinge'. Bekannt sind z. B. die Versuche Binets u. A., das hyp- notische Subjekt auf einem leeren Blatt Papier ein beliebiges Bild 'erblicken' zu lassen; mischt man dann dieses Blatt unter andere ihm v ö l l i g g l e i c h e n d e (die Erfüllung dieser Bedingung ist natürlich wichtig), so wird die Versuchsperson, wenn man ihr Blatt auf Blatt vorlegt, das 'Bild' stets nur auf demjenigen erblicken, auf dem es von Anfang an soz. suggestiv ange- bracht wurde. Stellt man das betreffende Blatt 'auf den Kopf', ohne daß die Person davon weiß, so erscheint ihr auch das Bild 'auf den Kopf gestellt'. Betrachtet es die Person durch ein Prisma, so erscheint das Bild verdoppelt, 'genau entsprechend den Gesetzen der Optik'; ein Opernglas vergrößert oder verkleinert es, je nach der Richtung, in der man es benfltzt; und hält man das Blatt vor einen Spiegel, so erblickt das Subjekt in diesem auch das suggerierte Bild.1 - Die wissenschaftliche Erklärung dieser Vorgänge nimmt irgendwelche winzige, normalerweise kaum wahrnehmbare Besonder- heiten der (nur scheinbar) einander 'völlig gleichenden' Blätter an - points de repère -, an denen die Versuchsperson das suggestiv belegte eben d o c h 'erkenne', und schreibt dann die 'natürlichen' optischen Veränderungen des Bildes der Wirkung der E r w a r t u n g zu;2 eine Erklärung, die Bozzano schon mit den Beobachtungen nicht ganz im Einklang findet; während unser son- stiges heutiges Wissen über 'Gedankenschöpfungen' sie vollends überflüssig mache. - Die Frage erscheint mir aber doch noch nicht so spruchreif, wie Bozzano es hinstellt. Versuche bezüglich der dioptrischen Beeinflussung sind nämlich auch mit den bekannten Visionen auf spiegelnden Flächen und in Kristallkugeln gemacht worden und haben einstweilen leidlich verwor- rene Ergebnisse geliefert. Selbst bei sog. unwissentlichen Versuchen ver- hielten sich die Bilder bald ganz auffallend den optischen Gesetzen entspre- chend (indem sie z. B. in waage- oder senkrechter Richtung verdoppelt wur- den!), bald aber auch n i c h t ; und zwar bei e i n e r Versuchsperson, der Pro- fessorin Verrall, t r o t z d e m diese sich bewußt war, bei ihren Visionen points de repère zu benutzen.3 Diese mangelnde Eindeutigkeit der Erfahrung tut auch der Theorie der 'realen' Halluzination einstweilen Abbruch; wiewohl natürlich die völlige Ungeklärtheit des Problems der Halluzination auf wis- senschaftlichem Boden ihr einigen Spielraum lassen mag. Eine ähnlich 'realistische' Deutung läßt Bozzano sodann den 'Ge- dankenformen' zuteil werden, die manche 'Hellseher' in Gegenwart 1 ) Binet 280ff. Dagegen vgl. Pr V I I I 500 über Miss A. 2) Zustimmend: Myers I 238. 3 ) Pr V I I I 4851.; X 108. Die ideoplastische Theorie der Erscheinung 161 Andrer wahrzunehmen behaupten, und über die namentlich aus theo- sophischen Kreisen merkwürdige Darstellungen vorliegen: biildmäßige 'Projektionen' nicht bloß von Menschen und Dingen, sondern oft von scheinbar ganz phantastischem, aber angeblich das Gefühlserleben des Betreffenden erkennbar symbolisierendem Gepräge1 Gedanken seien eben - Dinge; lind Vorstellungen, Gefühle, Leidenschaften 'erzeugen' Formen, in denen sie sich darstellen. ...thought creates from its own wreck the thing it contemplates. (Shelley.) Es mag bemerkt werden, daß Bilder dieser Art sich gelegentlich in jenen rauchigen Nebel auflösen,2 den wir noch genauer als Anfangs- und Endstufe unzweifelhaft objektiver1 Phantome kennenlernen werden; eine nachdenklich stimmende Ähnlichkeit, die wir übrigens auch an Visionen-im-Kristall beobachten. Von hier aus ist dann nur noch ein Schritt zu den Gebieten, auf denen der Begriff der ideoplastischen Bildschöpfung seine seltsamsten und wichtigsten Anwendungen sucht: den Gebieten der übernormalen Photographie und der Materialisation. Die erstere Anwendung habe ich bereits kurz erwähnt,5 und es ließen sich für sie sehr merkwürdige Beobachtungen ins Feld führen. Doch will ich auf diese nicht näher eingehn, da ich ja das ganze Gebiet von meiner Argumentation einst- weilen ausgeschlossen habe. Ließe man die photographischen 'Extras' als ideoplastische Leistungen gelten, so ergäbe sich freilich erst recht die Versuchung, nun auch die flüchtigen Phantome der F e r n e r s c h e i - nung und des Spuks unter diesen verheißungsvollen Begriff zu bringen. 'Die Versuchung' sage ich einstweilen nur. Denn so dunkel unser Deutungsmittel auch sein mag, so schwer bestimmbar also auch seine Grenzen: schon bei den Spuk- und Fernerscheinungen konmen uns Bedenken gegen seine Zulänglichkeit, sobald wir uns vergegenwär- tigen, wie sehr ihre 'Objektivität' doch offenbar über die der photo- graphischen Extras hinausgeht. Während bei diesen allenfalls Spuren halb-passiver Bewegung zu entdecken wären (etwa bei Mehrfacher- scheinen eines Extra auf der gleichen Platte), zeigt das sichtbare Phantom ja, wie wir wissen, nicht nur alle Natürlichkeit des Orts- wechsels und des persönlichen 'Benehmens', sondern wirkt auch wie ein bewußtes und körperhaftes Wesen auf die Dinge. Wird mit der (allenfalls photographierbaren) 'Erscheinung' auch dieser ganze Ap- parat persönlicher Betätigung durch irgendjemandes 'Vorstellen' - 1 ) Vgl. B e s a n t ; E . A. Quinon i n L t 1 9 0 1 4 0 1 . 2 ) S . V . T u r n e y in L O 1 9 2 ß 5 5 9 . 3 ) o. S . 27 f . M a t t i e s e n , Das persönliche Überleben III 11 162 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung 'erechaffen'? Wir fühlen wohl: hier soll ein Schritt getan werden, den unser Denkgewissen nicht so leicht zustande bringt. Wieviel schwerer aber müßte ihm der weitere werden, der nunmehr unabweislich droht: auch die Materialisation der Sitzung als ideoplastisches Erzeugnis aufzufassen; die Materialisation, die im äußersten Falle - das hat uns bereits die obige Tatsachenschau bewiesen - im seelischen und kör- perlichen Auftreten von einem lebenden Menschen gar nicht zu unter- scheiden ist, ja in manchen Fällen nicht von einem bestimmten Men- schen. Es ist klar, daß erst auf dem Boden dieser Tatsachen die Pro- blematik des Phantoms in ihrer ganzen Furcht- und Fruchtbarkeit uns umklammert, und wie man den Feind oft dort zuerst angreifen soll, wo er am stärksten ist, so auch ein Rätsel da, wo es sich am dunkelsten zeigt. Daß von der Erwägung der krassesten Formen des Phantoms auf seine 'milderen' Licht fallen werde, ist an sich wahrscheinlicher als das Umgekehrte. Darum soll auch unsere theoretische Bemühung, so aussichtslos sie erscheinen oder sein mag, von vorn herein auf die Tat- sachen der Materialisation gerichtet werden. Es wird sich zeigen, daß auch hier der Ertrag zum mindesten nicht geringer ist, den wir für unser eigentliches Grundproblem von dieser Untersuchung des objek- tiven Phántoms erhoffen: für das Problem des Überlebens. 7. Die Anatomie der Materialisation. 162 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung 'erechaffen'? Wir fühlen wohl: hier soll ein Schritt getan werden, den unser Denkgewissen nicht so leicht zustande bringt. Wieviel schwerer aber müßte ihm der weitere werden, der nunmehr unabweislich droht: auch die Materialisation der Sitzung als ideoplastisches Erzeugnis aufzufassen; die Materialisation, die im äußersten Falle - das hat uns bereits die obige Tatsachenschau bewiesen - im seelischen und kör- perlichen Auftreten von einem lebenden Menschen gar nicht zu unter- scheiden ist, ja in manchen Fällen nicht von einem bestimmten Men- schen. Es ist klar, daß erst auf dem Boden dieser Tatsachen die Pro- blematik des Phantoms in ihrer ganzen Furcht- und Fruchtbarkeit uns umklammert, und wie man den Feind oft dort zuerst angreifen soll, wo er am stärksten ist, so auch ein Rätsel da, wo es sich am dunkelsten zeigt. Daß von der Erwägung der krassesten Formen des Phantoms auf seine 'milderen' Licht fallen werde, ist an sich wahrscheinlicher als das Umgekehrte. Darum soll auch unsere theoretische Bemühung, so aussichtslos sie erscheinen oder sein mag, von vorn herein auf die Tat- sachen der Materialisation gerichtet werden. Es wird sich zeigen, daß auch hier der Ertrag zum mindesten nicht geringer ist, den wir für unser eigentliches Grundproblem von dieser Untersuchung des objek- tiven Phántoms erhoffen: für das Problem des Überlebens. 7. Die Anatomie der Materialisation Ich beginne mit der Erörterung einer Vorfrage, deren Beantwortung alle ferneren Entscheidungen beeinflussen dürfte. Sind Materialisa- tionen ihrem Gesamtbau nach, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen, nämlich abnorme Vollduplikate menschlicher Körper (bzw. Körperteile), oder aber täuschen sie diese echte Entsprechung nur vor und sind in Wahrheit sehr viel weniger? In der Tat ist z. B. von E. v. Hartmann die Ansicht vertreten worden, es handle sich bei ihnen nur soz. um Hülsengebilde, also reine Oberflächenkörper aus menschenähnlich aufgebauten Stoffschichten. Hertmann erklärt es für e i n f a c h e r , anzunehmen, das Medium erzeuge durch seinen magischen Willen nur soz. eine Hülle 'sekundärer Kraftzentren' in Form einer Hand, anstatt die Gesamtheit der Kraftzentren, Svelche den Atomen und Molekülen der Hand in ihrer ganzen Dicke entsprächen'. Denn sollte eine solche vollständige Hand an einem unsichtbaren Körper sitzen? Dieser wäre doch wohl nur darum unsichtbar, weil er undicht wäre; und wäre er so undicht, so müßte er durch den Fußboden sinken und könnte der dichter materialisierten Hand keinen Halt bieten und sie nicht führen; Die Anatomie der Materialisation 163 es sei denn, er werde durch K r ä f t e gehalten und bewegt, die seine Lage im Verhältnis zu den Dingen im Raum bestimmen. Dann aber könnten diese Kräfte, die ja doch aus dem Medium stammten, auch e b e n s o g u t u n m i t - t e l b a r die 'Hand' halten, auch wenn diese eine objektive Leistung ausführt. In Wahrheit führe also das M e d i u m s e l b s t diese Leistung aus, indem es an der Oberfläche des bewegten Gegenstandes jene 'Kraftzentren' in d e r O b e r f l ä c h e n f o r m e i n e r H a n d a n o r d n e . 1 Verwandte Gedanken trägt Dr. Maxwell vor, wennschon ausdrück- lich mit dein Gefühl ihrer Unbestimmtheit und Vorläufigkeit. Nach ihm kann die 'Nervenkraft' des Mediums auf die 'Teilchen eines sehr flüchtigen Stoffes, etwa des Äthers oder sonst einer Art verdünnter Materie', einwirken und sie 'laden und zerstreuen nach Maßgabe der Kraftlinien, die bestimmt würden durch die Wirkung von Nervenzentren und Form annähmen entsprechend jenen besonderen Zentren. [Was das heißen soll, weiß hoffent- lich Maxwell selbst.] [Diese Kraftlinien] würden eine gewisse Bildsamkeit be- sitzen, und diese würde in Beziehung zu jenen Zentren stehen und vorherr- schend physiologische Aktivität besitzen [!]. Bestände diese Beziehung zu den höheren Vorstellungszentren, so würden wir bestimmte sinnvolle Formen erhalten, wie z. B. menschliche Gesichter, Tierköpfe und Gegenstände; stellte sich die Beziehung zu niederen Zentren her, so würden wir nur unbestimmte Formen erhalten,' also etwa (könnte man vermuten) jene höchst dürftig ge- stalteten 'Pseudopodien', 'Ektoplasmen' u. dgl. m., von denen neuerdings die Beobachtung 'physikalischer Medien' so viel berichtet.2 - Beide Verfasser nehmen dann schließlich an, daß solche Formungen sichtbar werden dadurch, daß jene Kraftzentren etwa zugleich als 'Glimmpunkte' wirken, oder etwas dergleichen. Auch die unmittelbare Beobachtung scheint zuweilen mindestens ver- wandte Meinungen angeregt zu haben. Gewisse Schilderungen der Mrs. d'Esperance glaubt v. Schrenck-Notzing im Sinn einer 'flächenhaften Darstellung' des Phantoms verstehen zu dürfen (mit fraglichem Rechte, wie ich glaube); auch der Comte Bullet habe Köpfe gesehen, die den Eindruck bloßer Masken machten, was die Annahme nahelege, daß zunächst eine Fläche materialisiert und diese dann 'modelliert' werde.3 - Ferner könnte sich diese Vorstellung berufen auf gewisse Beobach- tungen bei Eusapia. Einmal z. B. wird ein völlig menschlich ge- staltetes Phantom hinter dem Vorhang des Kabinetts berührungsmäßig 'gefühlt', ein Phantom, das sich bewegt, das 'greift' oder 'stößt', ja selbst 'beißt', - und von dem mim doch n i c h t s s i e h t , wenn man hinter den Vorhang blickt, ja - auch nichts fühlt, wenn man es h i n - t e r m V o r h a n g zu greifen sucht!4 1 ) Hertmann, Geist. 1061. 2 ) Maxwell 1681. 3 ) Schrenck, Mat. 9 f . 1) A P S V 124. S. o. S. 104. 11* 164 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung In einer andern Sitzung wurde Morselli an mehreren Körperstellen durch den Vorhang hindurch berührt und fühlte, 'wie sich eine Person hinter dem Vor- hang an ihn lehnte und ihm die Arme drückte. Wir alle', schreibt Barzini, 'sehen diese Arme, umgeben vom Vorhang. Ich erhebe mich sofort, und das Medium an mich ziehend, stecke ich den Kopf in die Öffnung des Vorhangs, um ins Kabinett zu blicken. Dieses . . . ist leer. Morselli greift hinter den Vorhang, dort, wo er sich bläht, und stellt fest, daß niemand da ist. Was von außen den Eindruck eines menschlichen Körpers macht, der sich bewegt, ist im Innern nur eine Ausbauchung des Stoffes.'1 Daß v. Hartmanns Vorstellung sehr beträchtliche Zumutungen an un- sere Phantasie stellt, wird niemand bestreiten; doch muß man sich fragen, ob nicht jede andere Deutung ebenso große oder größere stellen würde. Wenn irgendwo, so gilt auf diesem unerhört neuartigen Ge- biete der Satz, daß versuchte Hypothesen schwerlich kühn genug sein können, allerdings auch um so gründlicher auf ihre Durchführbarkeit zu prüfen sind. Die Hartmann-Maxwellsche hat jedenfalls den Vor- zug der 'Sparsamkeit', d.h. sie sucht mit möglichst wenigen 'neuen' Annahmen auszukommen, unter denen überdies die einer objektiven Selbstverwirklichung von Vorstellungen ohnehin zu den Hauptbegriffen jeder Art von Phantom-Theorie gehört. Auch brauchen uns gewisse mit dieser Hypothese verknüpfte Folgerungen nicht ohne weiteres ab- zuschrecken: wie etwa die zur Deutung der Bewegungen und Leistungen des Phantoms erforderlichen. Wir müßten annehmen, daß jene bild- samen Häute von 'Kraftzentren' und 'Glimmpunkten' soz. wie Ma- rionetten an den Fäden der 'Vorstellung eines bewegten Gliedes' oder 'einer bestimmten Handlung' hängen und von Stufe zu Stufe den na- türlichen Wandlungen solcher Vorstellung folgen. Das Medium - vermutlich sein 'Unterbewußtsein' - 'stellt sich vor', daß ein Accor- dion im Gitterkäfig geschaukelt und gespielt wird, und alsbald setzt sich diese Vorstellung in ihrem ganzen Ablauf um in die ununter- brochne und 'natürliche' Erzeugung eines bewegten, bandförmigen 'Oberflächengefüges von Kraftzentren', das allen sichtbar das Instru- ment bewegt und spielt. Toll, phantastisch! - Gewiß. Aber welche Vorstellung wäre weniger phantastisch? Die Schwierigkeiten verdichten sich freilich bis ins Ungeheuerliche bei jenen Phantomen, die nicht nur von ihren Gliedmaßen und Ge- sichtern Abgüsse liefern oder mit Bleistiften schreiben, sondern auch vernehmlich und verständig zu uns reden. Sind auch Organe der Klang- erzeugung und Silbenbildung durch 'Vorstellungskraft' so weit als 'Ober- flächen' ausgebildet worden, als zu solcher Leistung mindestens er- forderlich wäre, also ohne ihre weiteren 'physiologischen Hinter- gründe'? Und wird dieser 'Mindestapparat von bloßen Oberflächen' durch einen 'Vorstellungsstrom' des Mediums gelenkt im Sinne einer Mitteilung oder Unterredung? Das alles ist 'möglich' - was ist denn unmöglich, das keinen Widerspruch-in-sich enthält? -, mag es uns noch so unwahrscheinlich vorkommen. Ob es dagegen wirklich sei, ist eine andere Frage, und manche Beobachtungen - nicht weniger zuverlässig als sonst die besten auf diesem Gebiet - sprechen in der Tat dafür, daß es nicht wirklich oder doch höchstens in seltenen Fällen wirklich sei. Dagegen nämlich sprechen alle Beobachtungen, die einen d u r c h g e h e n d e n n a t ü r l i c h - a n a t o m i s c h e n Bau des Phantoms oder Phantomteils soz. mit Händen greifen oder unmittel- bar erschließen lassen; und solche sind uns ja schon in den Beschrei- bungen Mirabellischer Materialisationen begegnet. Doch will ich mich nicht mit dem Rückweis auf diese begnügen, sondern den neuen Tat- bestand an sonstigen einschlägigen Beobachtungen fortschreitend ent- wickeln, wie s. Zt. den der Materialisation überhaupt. Ich beginne da- her auch hier mit der einfachsten und so häufig einleitenden Form der Materialisation, mit den 'Händen'. Schon Crookes hatte über die von ihm beobachteten Hände gesagt, es handle sich dabei nicht immer um 'bloße Formen', vielmehr erschienen sie zuweilen 'vollkommen lebensgleich und anmutig; die Finger bewegen sich und das Fleisch scheint ebenso menschlich zu sein, wie das irgend einer an- dern im Zimmer.'1 Und Ochorowicz' Bericht über seine Warschauer Sitzun- gen mit der Palladino spricht von einer 'großen Hand, vollkommen lebendig, von länglicher Form, heller Hautfarbe, normaler Wärme und Dichte.'2 Mehr ins Innere gehend, beschreibt Prof. Bottazzi eine von ihm ergriffene und nicht losgelassene Hand als 'mit knochigen und groben Fingern' versehen (sie löste sich gleich darauf in seiner Hand auf). - 'Die Wärme', schreibt ferner Dr. Venzano, 'die von der kleinen Hand [bei Eusapia] ausging, die Fingerbewegungen der Beugung und Streckung, der von der Hand ausge- übte Druck und Zug sind Tatsachen, die sehr stark zugunsten unserer Schlußfolgerung sprechen: daß es sich um eine lebende Hand handelt mit einem Knochengerüst als Grundlage, Muskeln, Sehnen und Bindegeweben, wie sie alle zu einer Hand gehören, lebendig erhalten durch Gefäße, in de- nen Wasser und Blut fließt, regiert durch ein Nervensystem, dem sie alle Ei- genschaften des Lebens verdanken.'3 Dies sind Worte eines Arztes, gemünzt auf Gliedmaßen, die dem Beobachter im festen Zugriff seiner Hand - z e r - r i n n e n ! In das gestaltete Innere des Rumpfes von Phantomen dringen wir ein vermittelst Beobachtungen, die uns Leistungen derselben vorführen, 1 ) Crookes 102f. ('life-like'). 2 ) Rochas, Motr. 162 (une main complètement vivante). Auch Geley (S. 320) und Bottazzi (ASP 1917 760) betonen diese normale Wärme einer 'Hand'. Vgl. die oben (S. 9 5 . 1 4 9 ) beschriebenen 'Nägel' und'Hautfalten' an Handabgüssen. Ähnlich Carrington Pr X X I I I 456f. 3 ) ASP 1907 502f. 166 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung die wir kaum denken können ohne Beteiligung willkürlich bewegten Atems, des weiteren aber auch nicht ohne wechselnde Einstellungen aller spracherzeugenden Organe, vom Kehlkopf bis zur Lippe. Während einer Sitzung des Dr. Gibier mit seinem Medium Mrs. Salmón am 10. Juli 1898 entwickelte sich auf höchst eigenartige Weise (die wir noch kennen lernen werden) ein Phantom, das "Lucie' als seinen Namen angab. 'Die Gestalt bewegt sich gegen das linke Ende des Kreises der An- wesenden auf Mme D. zu und beugt sich über diese. Sie ergreift deren Hände, kehrt die Handflächen nach oben und bläst hinein,... wobei wir den starken, regelmäßigen, ununterbrochenen Atem hören, der sich [zuweilen] leicht ver- stärkt, nach dem Gehörseindruck von einer Maschine oder dem Blasebalg einer Schmiede auszugehen scheint und ohne Unterbrechung mindestens 30 Sekunden dauert. Mme B. sagt aus, daß sie das Blasen auf den Händen und dem Gesicht fflhlt.'1 - Eins von Eusapias Phantomen, das uns Lombroso be- schreibt, war eine für Sgr. R. erscheinende Frau von großer Schönheit (an- geblich eine 2 Jahre zuvor Verstorbene), die 'mit warmem Atem gegen den Rücken der Hand des Sgr. R. hauchte, ihre Hand in seine Haare schob und ihn ganz leicht in die Finger biß.'2 Ähnlich behauptet Bozzano, daß während einer Palladino-Sitzung eine herkulische Gestalt, die er für die ihres 'Führers' 'John King' hielt, ihn um- schlungen und sich an ihn gepreßt habe, wobei 'ein vollkommen geformter Kopf sich gegen den meinen drückt und ein warmer Atem über mein Gesicht hinstreicht. Der Kopf wendet sich ab und läßt mich seine bürstenartig ge- schnittenen Haare fühlen.' (Hier hätten wir also 'Kraftzentren' in Form einer Perücke.)3 'Er entfernt sich, und ich sehe deutlich sein Profil. Mit meinem Ellenbogen suche ich den Rumpf abzutasten und überzeuge mich, daß es der eines Hünen ist.'1 Ähnlich bezeugt Dr. Venzano nach der bereits er- wähnten Sitzung im Circolo Minerva vom 20. Dez. 1900: 'Ich fühlte einen Mund, von dem ein warmer Atem ausging, mein linkes Ohr berühren und mit leiser Stimme in Genueser Mundart eine Reihe von Sätzen aussprechen, deren Gemurmel auch den Sitzern hörbar war.'5 Ich fühle mich verlockt, hier noch ein Weiteres zu erwähnen, trotz- dem die Kürze, in der es geschehn muß, mich vor dem Leser in eine mißliche Lage bringt. Die Tatsache der sog. ' d i r e k t e n ' S t i m m e , durch die mehrere Medien besonderen Ruf erlangt haben, kann m. E. heute als erwiesen bezeichnet werden. Eine umstrittene Entlarvung (im Grunde nur Verdächtigung) eines der- selben, George Valiantines, in Berlin6 hat bei uns einen ungünstigen oden für die Anerkennung der Tatsache geschaffen. Aber die Zeugnisse ffir Mrs. Wriedt sind mindestens ebenso gut, die f ü r Sloan sind eigentlich durch- schlagend. Mrs. E. S. French Oberzeugte in 20 jährigen Versuchen einen der ersten Rechtsanwälte und Großunternehmer Amerikas, Mr. Edward C. Ran- dall; und neben diesen stehen viele andre von Mrs. Everitts Zeiten1 bis auf die heute berühmte, wenn auch umstrittene Margery - Frau Dr. Crandon - in Boston. Bradley, der Valiantine in Europa bekannt machte, erzielte die 'direkte Stimme' auch ohne ihn, allein mit seiner Frau sitzend,8 und nicht wenige haben die Tatsache bei hellem Tageslicht beobachtet, also unter Be- dingungen, die gründlichst ablagen von jenen, die den eigentlichen Grund zu Valiantines und Anderer Verdächtigung abgaben. Miss E. K. Harper, die Sekretärin W. T. Steads, bezeugt dies aus ihrer eigenen Erfahrung mit Mrs. Wriedt, die währenddessen nähte und zuweilen an der Unterhaltung mit der Stimme teilnahm,3 und Mrs. E. Blake in Braderick, Ohio, hat 'Tau- sende bei Tageslicht' die direkte Stimme hören lassen. Zwei sachverständige Taschenspieler, darunter Mr. D. P. Abbott, ein Freund Prof. Hyslops, setzten sich nach eingehenden Versuchen für ihre Echtheit ein.1 Zur Prüfung der direkten Stimme bei Frau Dr. Crandon ersann Dr. Richardson eine Vorrich- tung, bestehend hauptsächlich aus einem mit Flüssigkeit gefüllten U-Rohr, worin die geringste Sprachbewegung des Mediums einen Ausschlag der beiden gleichgestellten Oberflächen bewirken mußte.5 Noch weiter ging (u. a.) Dr. Abraham Wallace, der das Medium während der Versuche Wasser im Munde halten ließ, wobei betrügerisches Ausspeien des Wassers und nachheriges Wiedereinsaugen ausgeschlossen wurde durch einen chemischen Zusatz, der nur bei l a n g e m Behalten des Wassers im Munde eine zunehmend tiefe Färbung desselben bewirkt.6 Zu allen diesen Sicherungen kommt aber schließ- lich noch der von fast allen Beobachtern angegebene Umstand, daß die di- rekte Stimme nicht selten zu hören ist, w ä h r e n d das hierbei ja fast immer wache Medium g l e i c h f a l l s s p r i c h t ; 7 oder der andere, daß gleichzeitig m e h r a l s e i n e a b n o r m e Stimme zu hören ist. Prof. Nielsson in Reykjavik hörte bei Indridi Indridason 'bisweilen zwei Stimmen gleichzeitig singen: eine weibliche Sopranstimme und einen männlichen Baß-Bariton.'8 Ja von Home berichten General und Mrs. Boldero, daß sie in seiner Gegenwart zwei Stimmen, eine männliche und eine kindliche, sich unterhalten hörten, wäh- rend das berühmte Medium gleichzeitig u n u n t e r b r o c h e n redete und, als man ihm dies verwies, als Grund angab: er habe verhüten wollen, daß man ihn der Bauchrednerei bezichtige, denn gleichzeitiges Sprechen und 'Bauch- reden' sei unmöglich.9 Die Tatsache selbst besteht bekanntlich in dem deutlichen Hörbar- werden vieler persönlich gesonderter Stimmen - meist, aber keines- 1) 1855 (Podmore, Spir. II 64; Aksakow464). 2) Bradley, Wisd. 3H. u. ö. 3) Moore 327. 4) Lt 1906 495. 511; 1908 75. Vgl. noch Funk, Riddle 155; C. Chapman (ref. n. Bozzano in ZmpF 1932 203fl.); Mclndoe in Lt 1921 494 ttb. d. nichtberufl. Medium A. McCreadie. 5) Ref. ZpF 1928 94. Vgl. auch Pr X X X V I 126. 6) Lt 2. Febr. 1918. 7) Sir W. F. Barrett bei Moore 85; Bradley, Stars 14. 28.167.179; Wisd. 158. 318; P r X X X V I 61; Kennedy bei Tweedale 270. 8) Nielsson 25. 9) Bericht an Prot. Barrett (Threshold 61. 62). 168 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung wegs immer, verstärkt durch Schalltrichter - in der Nähe des Me- diums; Stimmen, die angeblich zum größten Teil sofort als die bestimm- ter Verstorbener erkennbar sind. Das, was sie in der Unterhaltung mit ihren anwesenden Hinterbliebenen äußern, liefert vielfach 'Identitäts- beweise', die zu den stärksten überhaupt berichteten gehören.1 - Um wenigstens an e i n e m Beispiel den Tatbestand etwas zu verdeutlichen, entnehme ich einige kurze Angaben den Berichten J. Arthur Findlays über das Stimmenmedium John C. S l o a n , Berichte, die vor einigen Jahren, von Sir William Barrett, F.R.S., bevorwortet, in der angelsäch- sischen Leserwelt bedeutendes Aufsehen erregten. Findlay nimmt in der City von Glasgow eine hochgeachtete Stellung ein. 'Wenige Männer', schrieb Barrett von ihm, 'erfreuen sich höheren Ansehens wegen ihrer Rechtschaffenheit und ihres gesunden Verstandes als er, und wenige sind in gleichem Maße gefeit gegen Betrug durch Schwindler und Scharlatane.2 Sein fachmännisches Wissen machte ihn zum Vizepräsidenten der Glasgower Ges. f. ps. F., deren Präsident der Earl of Balfour ist. An seine Versuche mit Sloan ging er im Geiste 'entschiedenen Argwohns' heran, auch nachdem er bereits die ersten Stimmen gehört hatte. Niemand unter den An- wesenden kannte ihn unter seinem Namen, als er am 20. Sept. 1918 seine erste Sitzung mitmachte. 'Plötzlich (schreibt er) sprach eine Stimme dicht vor mir', und auf seine Frage, wer es sei, erwiderte sie: 'Dein Vater, Robert Downie Findlay, und fuhr dann fort, von etwas zu reden, wovon nur er und ich, sonst aber niemand auf Erden wußte... Aber mein Staunen wuchs, als, nachdem mein Vater geendet, eine andere Stimme den Namen der [einzigen] andren Person nannte, die zu Lebzeiten von der Sache gewußt hatte, und diese Stimme setzte die von meinem Vater begonnene Unterhaltung fort.' In wei- teren Sitzungen 'sprachen viele verstorbene Freunde zu mir, gaben Namen und Adresse an und sagten mir Dinge, die kein Anwesender außer mir hätte wissen können... Freunde traten auf und sprachen zu mir von Angelegen- heiten, von denen nicht nur kein Anwesender, sondern auch ich selbst nicht wußte, deren Tatsächlichkeit ich aber durch Nachforschungen feststellte . . . Ich beschloß nunmehr, bei nächster Gelegenheit neben dem Medium zu sitzen und, während eine Stimme sprach, mein Ohr dicht an seinen Mund zu legen. Ich hielt seine Hände von Beginn der Sitzung an, und während eine Stimme sprach, hielt ich mein Ohr dicht an seinen Mund. Ich fühlte des Mediums Atem, mein Ohr berührte seine Lippen, aber kein Ton drang aus ihnen her- vor. Dies habe ich getan nicht ein- oder zweimal, sondern viele Male, bis ich schließlich überzeugt war, nicht nur daß der Vorgang der direkten Stimme echt war, sondern auch daß die Redenden wirklich die waren, die sie zu sein behaupteten.'3 Denn Findlays Feststellungen waren die gleichen, ob nun die Sitzungen in Sloans Wohnung oder in dem Sitzungszimmer der Glas- gower Ges. f. ps. F. stattfanden, ob weitere Personen zugegen waren oder das Medium mit Findlay und dessen Stenographin allein. Gerade in diesen Sit- 1) S. Bd. I S.285I. 2) Findlay 7. 3) das. 56f. 59. Die Anatomie der Materialisation 169 zungen zu Dreien lag Sloan 'in tiefem Trans, seine Hände in den meinen, seine Füße von den meinen kontrolliert, sein Kopf auf die Brust herabgesun- ken, und abgesehen von gelegentlichen Zuckungen, saß er reglos... Als Vor- sichtsmaßregel hatte ich die Tür verschlossen und den Schlüssel in meine Tasche gesteckt.' 'Es war unmöglich, daß jemand im Zimmer verborgen war; diese Gewißheit verschaffte ich mir stets.'1 'Ich habe auch Stimmen bei Tages- licht gehört, sie sind aber stärker und besser entwickelt im Dunkeln oder bei Rotlicht, das nicht die gleiche zerstörende Wirkung wie weißes ausübt.' 'Oft habe ich - und haben Andre mit mir - zwei oder selbst drei Stimmen von verschiedenem Klang und persönlicher Unterscheidbarkeit g l e i c h z e i t i g zu den Anwesenden reden hören, und zwar über verschiedene Dinge, die nur den Angeredeten bekannt waren, w ä h r e n d entweder das Medium z u g l e i c h über etwas anderes zu den neben ihm Sitzenden sprach, oder ich meii* Ohr ganz dicht an seinen Mund hielt, ohne daß ein Ton von seinen Lippen k a m . . . ' 2 Zu solchen sachlichen Sicherungen gegen Betrug, auch den durch Bauch- rednerei, wie sie übrigens in den Urkunden jedes Stimmen-Mediums berichtet werden, kamen aber hier noch persönliche, die ihren Eindruck auch auf den Unerfahrenen nicht verfehlen können. Sloan ist nämlich ein einfacher und herzensgütiger Arbeiter mit dem Einkommen eines solchen, der aber trotzdem jedes Angebot eines Entgelts für seine Sitzungen als beleidigend zurückweist. 'Er liebt die Zurückgezogenheit und ist im höchsten Grade bescheiden. E r -macht sich nichts aus dem Lobe, das er so oft am Schluß eines solchen Abends erntet. Ich habe immer den Eindruck von ihm, daß er diese Sitzungen nicht mag und sie nur aus Pflichtgefühl bewilligt. Ich bin gewiß, daß er, sich selbst überlassen, nie seine mediale Gabe ausüben würde. Sein Pflichtgefühl und seine Herzensgüte' allein vermögen ihn dazu. 'Ich besitze', schreibt Find- lay, 'Niederschriften von 39 Sitzungen mit Sloan; 83 verschiedene Stimmen haben zu mir gesprochen oder zu persönlichen Freunden, die ich mitgebracht hatte; 282 verschiedene Mitteilungen sind mir oder ihnen zuteilgeworden, darunter 180, die ich als 'ersten Ranges' bezeichnen kann, indem es sowohl dem Medium als sonst irgend einem Anwesenden unmöglich war, von ihrem Inhalt normalerweise etwas zu wissen.'3 So viel, in eiligem Vorübergehn, zur Beglaubigung unsres Tatbestands. Uns fesselt daran hier nur die Frage, ob solche Leistung ein Stück Phantom-Anatomie erweise. Ich muß nun sagen, daß, so sehr die Tatsachen in unserem Zusammenhang anregungsträchtig und darum der Erwähnung wert erscheinen, die Ausbeute, die sie für unsere Frage liefern, doch keineswegs gewiß ist. Vor allem weil, wie erwähnt, un- mittelbare Beobachtungen von Phantomen während des Erklingens der Stimmen fast völlig fehlen. Die Sitzunfsteilnehmer haben aller- dings nicht selten jenes seltsame Gefühl einer 'Anwesenheit' an der 1) 86.1191.131. 2) 11.301. 3 ) 58.601.64. 170 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung Stelle, von wo die Stimme hertönt, und Miss F. Compton konnte nach einer Valiantine-Sitzung in Bradleys Hause geradezu sagen: die Re- denden 'schienen umherzugehen und deutlich bei uns im Zimmer zu sein... Ich war mir einer [anwesenden] Persönlichkeit ebenso sehr bewußt wie einer Stimme.'1 Ja Bradley behauptet sogar, daß die mate- rialisierten Hände einzelner Redender ihm auf den Kopf gelegt worden seien.2 Der einzige mir bekannte Bericht über die zusammenhängende Be- obachtung einer typischen 'Stimme nsitzungs-Stimme' (wenn ich so sagen darf) und einer Materialisation stammt von dem oben angeführten Dr. Edwin F. Bowers. 'Die packendste Erfahrung (schreibt er3), die ich je während der 35 Jahre meiner parapsychischen Forschungen gemacht habe, ereignete sich vor nicht langem in einer von Mr. Deckers Sitzungen. Ich saß neben meinem Bruder Charlie, als - nach einer Stunde hervorragender und höchst beweiskräf- tiger Botschaften - eine vor Erregung zitternde Stimme unmittelbar vor uns erklang: 'Charlie, mein Jonge.4 Und Edvin!' Es war die unvergeßliche Stimme meiner Mutter, in ihrer geliebten irischen Mundart, unverändert seit dem Tage, da sie nach Amerika herflberkam, bis zu dem Tage, da sie vor neun Jahren starb. Mutter konnte nie lernen, 'Junge' zu sagen, und sprach das w in Edwin stets wie v aus. Nach einigen Minuten von Herzen kommender und zu Herzen gehender Begrüßungen und 'Gott-segne-euchs', währenddessen Mut- ters Stimme von allen Anwesenden deutlich gehört wurde, forderte sie uns beide auf, uns zu erheben. Dann legte sie, so natürlich, als wäre sie wieder im Fleische, einen Arm um meinen Bruder, den andern um mich, und zog uns dicht an sich, indem sie in gebrochenen Tönen und beinahe ekstatischer Freude von ihrer Liebe zu uns und von ihrem großen Glück über diese Wiederbegegnung sprach. Sie bat uns, 'für einander zu sorgen', sagte, daß sie auf jede ihr mögliche Art uns helfe, und bat uns nicht zu vergessen, daß wir alle, wann es Gottes Wille wäre, wieder beisammen sein würden. Sie nahm Charlies Hand in die ihre und führte sie über ihr Gesicht. Sie hob sie dann auf ihren Kopf und ließ ihn den für sie bezeichnenden Knoten seidenweichen Haares fühlen, in der altmodischen Art geflochten, wie sie ihn stets trug. Wie Charlie mir sagt, nahm sie dann sein Gesicht zwischen ihre Hände, zog es an das ihre herab und küßte ihn auf die Stirn. Dasselbe tat sie mit mir und sagte dann 'Ich muß jetzt gehen.' Es war ein bewegender Abschied. Und doch brachte er uns und denen, die dies alles mit anhörten, überwältigende Freude und Trost...' Ferner muß man auch daran erinnern, daß die Stimmen meist mit einer objektiven Leistung einhergehen, wie man sie ähnlich in typi- schen Materialisationssitzungen beobachtet: dem rasend schnellen, 1) Bradley, Wisd. 383. 2) das. 420f. Vgl. Findlay 141! 3 ) Bowers 8 5 f . 4 ) my bye (statt boy). Die Anatomie der Materialisation 171 'zischenden' Umherbewegtwerden der (meist durch Leuchtstreifen sicht- bar gemachten) Schalltrichter, welche dabei die Anwesenden an jeder von diesen 'gewünschten' Stelle sofort und unfehlbar mit ä u ß e r s t e r Leichtigkeit berühren, - ein Kunststück, das - wie der Versuch wiederholt bewiesen hat - für Lebende in völliger Dunkelheit schlech- terdings unausführbar ist.1 Endlich sei darauf hingewiesen, daß die 'Redenden' selbst, wenn man sie fragt, eine Theorie der 'Stimme' entwickeln, die diese ausdrück- lich auf anatomisch-physiologische Grundlagen zurückführt. Sie behaupten zunächst wieder, daß der Mensch einen 'ätherischen Leib' besitze, der 'in jeder Einzelheit ein Gegenstück des fleischlichen darstelle, in seinen innern wie auch äußern Organen.'2 Zu Beginn einer Sitzung fertige einer der unsichtbaren Leiter aus Stoffen, die er teils selber liefere, teils dem Medium und den Sitzern entnehme, eine Maske in der ungefähren Form eines Mundes und Kehlkopfes an, die an einer passenden Stelle des Zimmers 'pla- ciert' werde. Jeder Abgeschiedene, der zu sprechen wünsche, drücke sein Gesicht in diese vergleichsweise dichtere Maske (bestehend aus Stoffen von 'geringerer Schwingungszahl'!) und bedecke und 'bekleide' damit seinen eige- nen 'Mund, Kehle und Zunge', wodurch diese Körperteile (nebst der Lunge!) in gewissem Maße materialisiert und zur Erzeugung von Worten im Bereich unserer Wahrnehmung befähigt werden. 'Dieser Zustand dauert nur kurze Zeit, häufig nicht länger als 10 Minuten, wo dann die Dematerialisierung ein- setzt . . . und [der Abgeschiedene,] obschon sein Mund zu sprechen fortfährt, nicht mehr gehört wird.'9 Dies alles mag, wer will, für blühenden Unsinn und reine Hirnge- spinste eines Mediums halten, das dann aber doch die Stimme selbst auf irgendeine andre übernormale Weise erzeugen müßte, von der es sich noch fragt, ob sie l e i c h t e r zu glauben wäre als die uns hier berichtete. Ich selber möchte mich jeder Meinung über Dinge ent- halten, die ja zunächst nur in Gestalt nicht nachprüfbarer Behaup- tungen uns entgegentreten; will aber doch, ehe ich diese flüchtigen Bemerkungen über die direkte Stimme beende, noch einige Tatsachen erwähnen, die vielleicht zu Gunsten der 'von drüben her' vorgetragnen Erklärung sprechen. Erstens wird uns das Zustandekommen der Stimme von mehreren angeb- lichen Unsichtbaren durch verschiedene Medien genau ü b e r e i n s t i m - mend im obigen Sinne beschrieben, wobei doch anscheinend diese Aussagen völlig unabhängig von einander sind: der Rev. Duncan z. B. erhielt die gleiche Belehrung von einer nicht übel beglaubigten Stimmen-Persönlichkeit durch die beiden weiblichen Medien Moore i. J. 1928, also 4 Jahre vor dem Erschei- 172 Argumente aus der Objektivität der Erscheinung nen von Findlays Buch.1 Sodann aber wird in Stimmen-Sitzungen häufig: eine Beobachtung gemacht, die sehr gut übereinstimmt mit der obigen An- gabe: es trete nach einiger Zeit eine 'Dematerialisierung der Maske' ein, wor- auf der ruhig weiterredende Abgeschiedene nicht mehr gehört werde. Jene Beobachtung gleicht etwa dem zeitweiligen 'Schwund', über den der Rund- funkhörer so häufig sich ärgern muß. 'Lange fortgesetztes Reden vermittelst direkter Stimme', sagt Findlay, 'ist etwas Ungewöhnliches. Nach einigen Mi- nuten schwindet die Stimme dahin - trails away - und wird unhörbar, und man muß mitunter 5 Minuten warten, ehe sie wieder genügend Kraft ge- schöpft hat, um weiterzusprechen.'2 Dies, scheint mir, ist ein deutlicher Hin- weis zum mindesten auf die übernormale Natur des Vorgangs; es stimmt aber auch vorzüglich zusammen mit dem, was wir noch über Schwankungen des Zustands der Materialisierung hören werden. - Nur mit größtem Vorbehalt erwähne ich, daß bei Frau Dr. Crandon, die u. a. ja auch Stimmenmedium ist, gelegentlich ein sich lebend anfühlendes Gebilde beobachtet und photo- graphiert worden ist, das einer Stimmröhre mit Kehlkopf ähnelt und von dem der 'Führer' 'Walter' (angeblich der verstorbene Bruder des Mediums) be- hauptete, es sei 'die Materialisation des Dinges, durch das er spreche'. Aus- einer Materialisation dieser Art wurden während einer andern Sitzung angeb- lich deutlich langsame Atemzüge gehört, die von dem gleichzeitigen 'Schnar- chen' des Mediums sowohl im Ton als auch im Rhythmus abwichen.3 Das würde natürlich zur Frage führen, ob dieser Atem etwa von einer angeschlossenen, wenn auch unsichtbaren Lunge 'Walters' nebst Zwerchfell 'usw.' geliefert worden sei! Seltsamer Weise aber teilen uns 'unsichtbare Redner' selber mit, daß sie nicht mit e i g e n e m Atem sprächen, sondern dazu - des Mediums Atem benutzen!4 Hierzu würde die Angabe passen, daß die Stimme aufhörte - zwar nicht, wenn das betreffende Medium etwa die Zunge zwischen die Zähne klemmte, wohl aber, wenn es passiv am Atmen gehindert wurde; und in solchen Fällen wird uns dann auch folgerichtig bezeugt, daß gleichzeitiges Reden von Stimme und Medium nicht statthaben konnte, und daß z. B., wenn das Medium während des Redens der Stimme zu sprechen versuchte, es zwar Zunge und Lippen bewegen, aber keinen Ton hervorbringen konnte.5 Dies widerspricht, wie er- innerlich, zahlreichen andren Angaben, und unser Gedankengang endet somit in verwirrender Ungewißheit. (Ein Ausweg läge vielleicht in dem Gedanken, daß wo das Medium gleichzeitig zu sprechen imstande ist, die Sitzer gewissermaßen als Hilfsmedien herangezogen werden, was sich auch mitunter nach der Sitzung in Heiserkeit verriete.)6 Im ganzen also wird einstweilen die Frage offen bleiben müssen, wie weit 1) Duncan 6 1 f . ; vgl. 150. D.s Buch e r s c h i e n erst 1-2 Jahre nach F.s. 2 ) Findlay 134. 3) PsSc V I I 1 0 7 . 4) 'John Watt' bei Holms 228. 5) Lt 1894 296. 6 ) Holms 229. Aut die mediale Mitwirkung von Sitzern komme ich noch zu sprechen. Die Anatomie der Materialisation 173 das an sich unbestreitbare Phänomen der direkten Stimme uns eine voll-anatomische Ausbildung von Sprechorganen verbürgt. Doch wenden wir uns von so wenig befriedigenden Betrachtungen zu- rück zu Beobachtungen der eigentlichen Materialisationssitzung. Da wäre denn zunächst nachzutragen, daß der am Munde des Phantoms so häufig gespürte 'Atem' anscheinend nicht nur durch eine Stimmritze strömt, sondern gelegentlich auch durch - Blasinstrumente. In Gegenwart von Eusapia Palladino ist bei einer Gelegenheit eine Trompete nicht nur telekinetisch gehandhabt worden, sondern hat auch Töne von sich gegeben. Dr. Venzano z. B. berichtet über eine seiner Sitzungen mit Eusapia, daß gleich 'zu Beginn, während das Zimmer noch von einer 16-ker- zigen Glühlampe erhellt war, man eine Trompete deutlich im Innern des Kabinetts spielen hörte, und zwar in verschiedenen Höhenlagen, sodaß der Ton niemandem entging.' Darauf erschien die Trompete zwischen den beiden Vorhängen, mindestens 90 cm über dem Kopf Eusapias, deren Hände 'reglos auf dem Tische lagen, kontrolliert von den unsrigen und allen Anwesenden vollkommen sichtbar. Nach einiger Zeit zieht sich die Trompete zurück und läßt währenddessen neuerdings einige Töne hören, die sich mehrfach wieder- holen.' - Hier ist allerdings ein Blasender offenbar nicht gesehen worden; der Vorgang entspräche also insofern etwa deutlich 'handmäßigen' Lei- stungen, bei deren Verrichtung doch keine Hände gesehen werden.1 Aber die mehr innerlichen'anatomisch-physiologischen'Feststellungen an Phantomen gehen, wie wir schon wissen, selbst über die Beobachtung von Lungen - oder doch von Leistungen, die anscheinend Lungen vor- aussetzen - sehr beträchtlich hinaus. Ich muß hier vor allem wieder an die mitgeteilten Schilderungen aus dem Beobachterkreise um Mira- belli erinnern, die ja die meisten der unmittelbar festzustellenden Lebensvorgänge mit größter Ausdrücklichkeit behaupteten. Wir hör- ten von Untersuchungen einiger Phantome durch mehrere Ärzte, Unter- suchungen, die sich bis zu einer halben Stunde ausdehnten, die üblichen Methoden anwandten und die Untersucher zu dem ausdrücklichen Zeugnis bewogen, 'daß es sich wirklich um eine normale und mensch- lich organisierte Person handle, deren anatomischer Bau und organi- sche Funktionen in jeder Hinsicht vollkommen seien.'2 - Das beste Zeugnis dieser Art aber bezieht sich auf eins der 'klassischen' Phan- tome, - klassisch auch durch die Vollständigkeit seiner Lebens- äußerungen. 'Eines Abends', schreibt Crookes, 'zählte ich die Pulsschläge 'Katies', ihr Puls schlug regelmäßig 75, während derjenige Miss Cooks, wenige Augen- 1) Gerosa bei Rochas, Motr. 67; Venzano in APS 1907 (VI) 83. Vgl. Ochorowicz in ASP 1909 7 2 t . ; Lombroso 76. Üb. ein angeblich Zigaretten rauchendes Phantom: R B 241 (Fr. v. Tonkii-